Gent, die erste Zwischenstation am zweiten Tag unserer Reise, ist nur eine knappe Autostunde von Brügge entfernt, und irgendwie scheinen sich alle flämischen Städte zu ähneln: Historische Profanbauten, ein Berfried und jede Menge Grachten.
 


Das soll natürlich keine Kritik sein, denn ein schöneres Ambiente kann man sich kaum vorstellen. Gent war vielleicht sogar die Schönste dieser drei Städte, nicht zuletzt weil man es zumindest rund um die Graslei endlich einmal verstanden hat, die Autos auszusperren. So sitzt man nicht nur schön, sondern auch vergleichsweise ruhig in der Sonne.
  

 
Ähnlich wie in Middelburg und Brügge sind alle Sehenswürdigkeiten leicht zu Fuß zu erreichen. Von der Graslei bis zum Berfried und zur Kathedrale sind es beispielsweise nur fünf Minuten. Leider steht morgens die Sonne für ein Foto nicht eben günstig. In der Mitte des Bildes ist jedenfalls die römisch-katholische St.-Bavo-Kathedrale zu erkennen, dahinter der Berfried (Glockenturm).
 


Die Kathedrale beheimatet den Genter Altar, der als bekanntestes Werk der frühen niederländischen Malerei gilt. Jan und (vermutlich) Hubert van Eyck, die ihn um 1430 geschaffen haben, hat man hinter Kathedrale ein großes Denkmal gesetzt.
 

Von Gent wiederum sind es gerade einmal 50 km bis nach Brüssel. Belgiens Hauptstadt verfügt über mehrere Wahrzeichen, eines davon ist sicherlich das weltbekannte Atomium, das anlässlich der Expo 1958 am Stadtrand von Brüssel errichtet wurde. Wenn man - wie wir - von Nordwesten aus Gent kommt, sollte man unbedingt am Atomium halten, bevor man in die Stadt fährt, denn es liegt praktisch auf dem Weg, und wer einmal in der Innenstadt von Brüssel ist, findet so leicht nicht mehr heraus (dazu sogleich).


 
Natürlich kann das Atomium nicht mit Bauwerken wie dem Taj Mahal, dem Eiffelturm oder gar den Pyramiden mithalten, aber faszinierend ist es auf seine Weise schon. Das Innere ist übrigens zugänglich, einige der insgesamt neun Kugeln verfügen sogar über Fenster mit Aussicht.
 


Die anschließende Fahrt zum Hotel war ein echtes Abenteuer. "Folgen Sie einfach der Beschilderung zu den Institutionen der Europäischen Union", hieß es als Anfahrtsbeschreibung lapidar auf der Hotel-Homepage. Nur: In ganz Brüssel scheint es genau einen Wegweiser zu den "Institutionen der Europäischen Union" zu geben, und der zeigt definitiv in die falsche Richtung! Infolgedessen verfuhren wir uns scheinbar rettungslos. Die obigen Regeln für das Navigieren in belgischen Städten nutzten auch nicht viel, denn Massenverkehr herrschte praktisch überall in alle Richtungen, und alle Straßen waren makellos asphaltiert. Hinzu kam, dass die Stadtplaner von Brüssel durch Tunnel und Brücken eine dritte Dimension ins Spiel gebracht haben. Aber egal, denn durch geschicktes Ausfragen von Passanten entdeckten wir die fünfte Regel, die da lautet:

5. Hinter dem dritten Tunnel geht es rechts ab!

So war es jedes Mal: Ein Tunnel kommt in Brüssel nie allein, man fährt immer durch eine Kette, und hinter dem dritten Tunnel liegt die gesuchte Ausfahrt. Rechts, wie erwähnt! Auf diese Weise erreichten wir schließlich auch das Aloft Brussels Schuman, ein modernes Hotel mit schönen, ruhigen Zimmern und freundlichem Service, das allerdings sehr auf stylish-jugendlich macht. Ein Restaurant gibt es dort nicht, nur eine "Grab-and-Go"-Theke mit Croissants und Kaffee. Nachvollziehbar, denn im "Europäischen Viertel" wird niemand Essen gehen wollen. Die Institutionen der EU haben mit Sicherheit ihre eigenen Kantinen, und ansonsten ist in diesem Viertel tote Hose.

Brüssel ist natürlich viel größer als Brügge oder Gent, sodass man schon sehr gut zu Fuß sein müsste, wenn man alles sehen wollte. Zum Glück gibt es aber eine saubere, gut ausgebaute und finanzierbare (2 Euro pro Strecke) U-Bahn, die wir natürlich benutzten, da wir nach dem oben beschriebenen Erlebnis wenig Lust verspürten, noch einmal in den Brüsseler Straßenverkehr einzutauchen.

Brüssel hat uns nicht so gut gefallen wie die anderen Städte. Vielleicht hatten wir auch einfach nur Pech, dass an diesem Sonntag auf dem Grand Place gerade "Belgian Beer Week" gefeiert wurde, sodass der Platz schwarz vor (sehr heiteren) Menschen war. Natürlich sieht man trotzdem die Pracht der umliegenden Bauten, die Brügge und Gent sicherlich um einiges übertrifft, aber es war angesichts dieser Massen einfach unmöglich, das Ambiente wirken zu lassen. Eigentlich wollten wir deshalb am nächsten Morgen noch einmal zurückkehren, aber da spielte das Wetter nicht mit.
 

 
Natürlich haben wir auch das zweite Wahrzeichen Brüssels aufgesucht, aber - um ehrlich zu sein - mehr aus Pflichtschuldigkeit als aus echtem Interesse: Das Manneken Pis, hier zu sehen in einer Standestracht der belgischen Bierbrauer, ist eine winzige, vielleicht 60 cm hohe Bronzestatue, die an einem abgelegenen Platz auf einem Brunnen steht. Natürlich ist sie nicht zu verfehlen, weil sie von hunderten Touristen umringt wird. Ähnlich wie bei der Kopenhagener Meerjungfrau kann ich nur sagen: Wenn keiner behauptet hätte, dass es sich um eine Attraktion handelt, würde keine Sau vor dieser Statue stehen bleiben. Reines Marketing also, aber gutes offenbar.
 


Schöner und interessanter war da schon die Kathedrale St. Michel & St. Gudula mit ihren wunderschönen Glasfenstern. Dass hier häufig königliche Hochzeiten, Staatsbegräbnisse und ähnliche Zeremonien stattfinden, war an den ausgestellten Fotos im Eingangsbereich unschwer zu erkennen.
 

Während der Planung dieser Tour fiel es uns relativ schwer, eine ultimative Route festzulegen. Eines war jedoch von Anfang an klar: Dinant sollte die finale Destination sein, denn dieses Städtchen an der Maas hatte uns 2011 so gut gefallen, dass wir uns eine Belgientour ohne Station in Dinant nicht vorstellen konnten. Fährt man von Brüssel aus dorthin, kommt man zwangsläufig durch Namur, Hauptstadt der gleichnamigen belgischen Provinz. 2011 hatten wir keine Gelegenheit, Namur genauer zu erkunden, es beim Durchfahren jedoch für vielversprechend befunden. Grund genug, dort diesmal eine kleine Rast einzulegen.

Allerdings hat uns Namur nicht besonders gut gefallen. Vielleicht lag es am Wetter, das sich an diesem dritten Tag überwiegend bewölkt, zeitweise sogar regnerisch präsentierte, obwohl alle Vorhersagen Sonnenschein angekündigt hatten. Vielleicht auch daran, dass wir so recht kein Cafe finden konnten, das ein vernünftiges Frühstück angeboten hätte. Oder wir waren durch Brügge und Gent zu verwöhnt. Jedenfalls verließen wir Namur auf dem schnellsten Weg Richtung Dinant.


Um Wiederholungen über Dinant zu vermeiden, verweise ich an dieser Stelle auf meinen Bericht aus 2011. Im Unterschied zum letzten Jahr war die Stadt diesmal allerdings wie ausgestorben, die Saison scheint im August vorbei zu sein. Uns störte das natürlich nicht, im Gegenteil. Gegen Abend kam sogar wieder die Sonne heraus.
 


Nach einem Stadtrundgang und einer kurzen Pause in der Auberge de Bouvignes, wo wir uns natürlich auch diesmal einquartiert hatten, setzten wir uns ins Cafe Leffe (im Bild unten das erste Haus rechts) und genossen bei einem leckeres Essen den Blick auf die Maas und die untergehende Sonne.
 

 

Am nächsten Morgen hieß es dann schon Abschied nehmen. Allerdings war das Wetter nun wieder so schön, dass wir nicht schnurstracks nach Münster zurückfuhren, sondern die Ardennen auf kleinen Nebenstraßen durchquerten. Eine genaue Routenbeschreibung ist im Grunde unwichtig, denn die Ardennen sind zwischen Dinant und Eupen überall wunderschön: Bäume, Felder, Kurven. An diesem Morgen kam noch hinzu, dass leichter Nebel über den Flüssen und Tälern hing, den die Sonne erst langsam auflöste. Schöner geht's nicht!
 


Kurz hinter Eupen endete dann unsere kleine Rundreise durch Belgien. Zwei Autobahnstunden später waren wir wieder in Münster.


 
 

<<  zurück home