Auf hoher See
Wir erlebten das Ablegen an Deck, und es war ein wirklich unvergesslicher Anblick, das Schiff aus dem im Sonnenuntergang versinkenden, langsam aber sicher immer kleiner werdenden Hafen von Miami auslaufen zu sehen. Gleichzeitig stimmte uns die Reggae-Mucke im Hintergrund auf die Karibik ein.
 

All you can eat
Das Leben an Bord eines Kreuzfahrtschiffes wird durch die Essenszeiten bestimmt. Frei nach Sepp Herberger gilt: Nach dem Essen ist vor dem Essen! Wenn man nicht aufpasst, hat man in einer Woche Kreuzfahrt mehr zugenommen als in der ganzen Weihnachtszeit. Und dass bei einem von Amerikanern dominierten Schiff kein Mensch auf Kalorien geachtet hat, versteht sich von selbst. Schon morgens gab es nicht selten für die lieben Kleinen Pommes zum Frühstück, Mittags einen Burger (für die Eltern gerne auch zwei oder drei) und Abends alles was die Karte hergab. Gut, man selbst hat auch mehr zugeschlagen als nötig gewesen wäre, aber trotzdem drängte sich uns der Eindruck auf, dass speziell die Amis, wenn sie so weiter machen, auf einen gigantischen Gesundheitsgau zusteuern. Die Burger-Generation kommt ja erst noch in das Alter, wo schlechte Ernährung sich bemerkbar macht.

Während zu Frühstück und Mittagessen ein Buffet aufgefahren wurde, aß man Abends à la carte. Die Bordzeitung verkündete jeweils vorher, welcher Dresscode angezeigt war: Galant, leger oder sportiv. Gleich am ersten Seetag stand das Kapitänsdinner an (natürlich galant). Wider Erwarten gab es allerdings keine Eisbombe mit Wunderkerzen, dafür immerhin ein Foto mit dem griechischen Kapitän Manolis Kasselas persönlich (Bild).

Labadee (Haiti)
Am frühen Morgen des zweiten Tages legte das Schiff in Labadee auf Haiti an. Labadee muss man sich vorstellen wie einen Robinson-Club. Es handelt sich eigentlich gar nicht um einen Ort, sondern um eine eigens von der Reederei "Royal Caribbean" für ihre Kreuzfahrten geschaffene Anlage, die aus einem großen Strand, Bars usw. besteht. Das Ganze ist zwar nicht natürlich gewachsen, immerhin aber sehr schön angelegt.
 

Impression aus Labadee auf Haiti:
 

Royal Caribbean hat dort das Monopol, weshalb es z.B. keine Chance gibt, bei den zahlreichen Wassersportaktivitäten Preise zu vergleichen. Es gibt dort auch keine Einheimischen, sondern nur Kreuzfahrtpersonal. Immerhin war alles sehr sauber und gepflegt, und das Personal vollbrachte eine logistische Meisterleistung, als es das Mittagessen für ca. 3.000 Personen komplett vom Schiff herunter schaffte und am Stand aufbaute.

Apropos Wassersport: Dass ich mich habe breitschlagen lassen, mich im Parasailing zu versuchen, war wohl der relaxten Urlaubsstimmung geschuldet. Eine gute Entscheidung, denn obwohl ich ansonsten schon auf unserer Haustürtreppe Höhenangst bekomme, habe ich dieses nicht ganz billige Abenteuer keine Sekunde bereut. Ganz im Gegenteil, es ist ein tolles Gefühl, wenn der Wind in den Fallschirm greift, man langsam abhebt und schließlich - nur durch eine dünne Leine verbunden - hoch über dem Speedboat schwebt, das den Fallschirm zieht.

Ocho Rios (Jamaika)
Nach Aufbruch am späten Nachmittag und nächtlicher Fahrt erreichten wir am Morgen des dritten Tages Ocho Rios auf Jamaika. "Ocho Rios" heißt wörtlich übersetzt "acht Flüsse", hat aber mit acht Flüssen nichts zu tun. Der Name leitet sich vielmehr vom spanischen Wort "chorreas" ab, das "Wasserfall" bedeutet. Und für seinen Wasserfall, genauer gesagt die "Dunn's River Falls", ist der Ort berühmt.
 

Dunn's River Falls (Ausschnitt):
 

Royal Caribbean bot Ausflüge zu den Fällen an, aber wir entschlossen uns, auf eigene Faust loszuziehen, denn in Ocho Rios gibt es im Unterschied zu Labadee zahllose Privatanbieter, die die gleiche Dienstleistung für einen Bruchteil des Preises erbringen. Und nicht nur das: Wenn man sich ein wenig beeilt, kommt man vor dem ganzen Pulk an den Attraktionen an. Darin liegt der eigentliche Vorteil der Eigenorganisation, denn die Dunn's River Falls kann man erklimmen, und während ich die Fälle für mich allein hatte (kleines Bild), wurden sie keine Stunde später von tausenden von Ami-Touristen überrannt. Die standen dann Hand in Hand in einer Endlosschlange herum und mussten ewig warten, bis es wieder einen Schritt ins vorne ging. Dazwischen sprangen ständig Einheimische und Royal-Caribbean-Mitarbeiter herum, die Souvenirs verkaufen oder gegen Gebühr lustige Fotos schießen wollten. Dieses Schauspiel tat schon beim Zuschauen weh.

Wir waren alldem jedenfalls zuvor gekommen und nutzten unsere freie Zeit noch zu einer Jetski-Fahrt, für mich das zweite neue Urlaubserlebnis nach dem Parasailing am Tag zuvor, und es hat mir mindestens ebensoviel Spaß gemacht. Diese Dinger haben wirklich eine wahnsinnige Power, und die Umgebung mit dem türkisfarbenen Meer, den kleinen Sandbuchten und dem strahlend blauen Himmel war einfach traumhaft. Dies übrigens, obwohl die Bordzeitung Regen angesagt hatte. Wahrscheinlich hatten wir ein Exemplar der Vorwoche erwischt, denn den ganzen Tag war keine einzige Wolke zu sehen.

Ansonsten ist Jamaika genau so, wie man es sich vorstellt! Noch nie habe ich meine Vorurteile derart umfassend bestätigt gefunden wie hier. Alle laufen mit Rastazöpfen und Hawaiihemd herum, überall hört man Reggae-Musik und jeder zweite Jamaikaner wollte mir Gras verkaufen. Selbst als ich nur mit Badehose bekleidet auf meinem Jetski saß und gerade Gas geben wollte, kam einer durch das Wasser gewatet und fragte mich, ob ich was zu Rauchen gebrauchen könnte! "Jetzt gerade nicht", habe ich ihm zu verstehen gegeben.

An jeder Ecke findet man übrigens einen Schnapsladen mit echtem Jamaika-Rum. Vor einem Ankauf größerer Mengen kann ich nur warnen, obwohl der Rum zu Spottpreisen angeboten wird (zwei Liter kosteten etwa 8 Euro), denn was einem im Laden keiner sagt ist, dass der jamaikanische Zoll vor der Rückkehr auf das Schiff kräftig abkassiert. Bei der Rückankunft in den USA ist dann noch ein US-Importzoll fällig, und wenn man den Rum mit nach Hause nehmen will, schlägt die EU am Heimatflughafen in Deutschland nochmals zu. Ich gebe zu, ein ganz klein wenig Schadenfreude empfunden zu haben, als sich das vermeidliche Schnäppchen für so manchen Sparefroh in ein Eurograb verwandelte...

Georgetown (Kaimaninseln)
Georgetown auf den Cayman Islands war die dritte Station auf unserer Kreuzfahrt. Der Ort ist ähnlich auf Touristen ausgerichtet wie Ocho Rios und Labadee. Kein Wunder natürlich, wenn täglich mehrere Schiffe mit einigen tausend Touristen anlegen. Aber man muss eben wissen, dass die Orte, die man auf einer Karibik-Kreuzfahrt anläuft, recht austauschbar sind. Hauptattraktion von Georgetown ist der "Seven-Mile-Beach" genannte Stand, der sehr sauber ist und trotz guten Besuchs noch recht idyllisch wirkt. Je weiter man sich von den Schiffen im Hafen entfernt, umso ruhiger wird es. Karibisches Flair mit türkisfarbenem Wasser und der unvermeidlichen Reggae-Musik im Hintergrund bekommt man gratis.
 

Seven Mile Beach in Georgetown (Cayman Islands):
 

Unsere Aktivitäten am Vormittag beschränkten sich bei erneut genialem Wetter auf einen ausgedehnten Strandspaziergang und eine Stunde Kajakpaddeln. Nach einer Piña Colada ging es dann noch in die Stadt zum örtlichen Postamt, um einige Briefmarken zu erwerben und die im Schiffsfernsehen als großartig angekündigten Einkaufsmöglichkeiten in Augenschein zu nehmen. Und in der Tat findet man in Georgetown neben vielen Touri-Läden auch einige sehr ordentliche, fast schon vornehme Geschäfte, die überwiegend Schmuck (Diamanten!) Feil bieten. Zurück auf dem Schiff bemerkten wir gegen Abend und des Nachts erstmals ein leichtes Schaukeln. Offensichtlich zog Wind auf.

Cozumel (Mexiko)
"Wind" ist vorsichtig formuliert für das, was uns am nächsten Tag auf Cozumel erwartete. Cozumel ist eine dem mexikanischen Festland vorgelagerte Insel. Natürlich kann man einen Tag auch dort verbringen, z.B. mit Diamantenkaufen, aber wir hatten uns entschieden, mit einer Fähre auf das mexikanische Festland überzusetzen, um nach Tulum zu fahren, wo es die Ruinen einer alten Maya-Stadt zu besichtigen gibt.

It's a long way to Tulum
Die Anreise nach Tulum war ein Erlebnis für sich, das kurz geschildert sei: Zunächst muss man wissen, dass das Schwesterschiff der "Freedom of the Seas", die "Voyager of the Seas", gleichzeitig am selben Pier festmachte. Dies hatte zur Folge, dass ca. 6.000 Touristen zeitgleich auf den schmalen Steg zu den Fähren strömten.

 

"Freedom of the Seas" und "Voyager of the Seas" im Hafen von Cozumel:
 

Ein interessanter Anblick, der allerdings mit einer kleinen Geduldsprobe verbunden war, denn bis die mexikanischen Behörden uns von Bord ließen, hieß es erst einmal Warten, Warten, Warten. Wenn man dann - wie wir - zu den ersten 20 Touristen gehörte, die die Fähre erreichten, hieß es wieder Warten auf weitere vielleicht 500 Touristen, bis die Fähre endlich voll war und ablegte. Erst nach Verlassen des Hafens merkten wir dann, dass die Wellen mittlerweile 6 Meter hoch waren. Eine Kleinigkeit für einen 72m hohen Pott wie die "Freedom", aber ein kleines Abenteuer auf einer schaukeligen Fähre. Das mexikanische Personal verteilte bereits nach wenigen Minuten fleißig Kotztüten, die dankbar in Empfang genommen wurden. Mehr als ein Passagier beging allerdings den Anfängerfehler, sich gegen den Wind zu übergeben...

Auch die schönste Überfahrt hat einmal ein Ende, und so kamen wir nach einer Dreiviertelstunde im Hafen von Playa del Carmen am mexikanischen Festland an, übrigens unsererseits ohne den leisesten Anflug von Seekrankheit. Dort hieß es wieder Warten, weil unsere Fähre erst noch ein anderes Schiff vorlassen musste, dessen Passagiere es offenbar noch eiliger hatten, festen Boden unter die Füße zu bekommen. Endlich im Hafen hieß es wieder Warten, weil sich das Anlegen bei dem heftigen Seegang verzögerte. Auf dem Pier angekommen fanden wir schnell den Sammelpunkt unserer Reisegruppe, mit der wir die ca. 90minütige Busfahrt nach Tulum antreten wollten. Zuvor hieß es allerdings wieder Warten, bis alle vollzählig waren. Sodann traten wir, geführt von einem ortskundigen Mexikaner, einen gefühlt einstündigen Marsch durch Playa del Carmen an, bis wir die Bushaltestelle erreichten. Dort hieß es Warten, bis der Bus abfuhr. Unterwegs hielten wir noch mitten in der Wildnis an einem Andenkenladen. Dort hieß es Warten, bis alle ihre Geschäfte erledigt hatten. In Tulum angekommen hieß es wieder - richtig - Warten, diesmal auf die Eintrittskarten zur Mayastadt und auf die Bimmelbahn, die uns die vielleicht 300m vom Eingangstor zu den Ruinen transportierte.

Tulum
Trotzdem: Der Ausflug nach Tulum hat sich wirklich gelohnt, denn erstens nimmt man Anreisen wie die oben Geschilderte im Urlaub mit Humor, und zweitens wird man, einmal vor Ort angekommen, mit einer außergewöhnlichen Sehenswürdigkeit belohnt.
 

Tulum ist - wie gesagt - eine alte Maya-Stadt, die sich im mexikanischen Bundesstaat Quintana Roo, 130 km südlich von Cancun befindet. Die ältesten Gebäude dort stammen aus der Zeit um 900 n.Chr. Der Komplex gliedert sich in einen inneren, ehemals von einer Mauer umgebenen Bereich, zu dem nur hochgestellte Personen wie Priester oder Adelige Zutritt hatten, und dem Bereich außerhalb der Mauer, wo mehrere tausend einfache Menschen lebten. Dieser Außenbereich ist allerdings nahezu komplett verschwunden, da dort nur Holzhütten standen, während die aus Stein gebauten Gebäude im Inneren noch sehr gut erhalten sind. Nach der Eroberung durch die Spanier, die Ende des 16. Jahrhunderts in ihrem Goldrausch alles und jeden niedermetzelten (im Reiseführer wird dieses Massaker an den Maya "koloniale Erschließung" genannt), kehrten die wenigen entkommenen Bewohner nicht nach Tulum zurück, der Ort verfiel. Hauptattraktionen sind heute der Freskentempel (großes Bild unten), der "Tempel des Windes" und das alles überragende Schloss mit seiner monströsen Rampe.
 

Maya-Ruinen in Tulum:
 

 

   
  Schloss Tempel des Windes  

Das Einzigartige an Tulum ist, dass es im Gegensatz zu allen anderen Maya-Städten direkt am Meer liegt. Unmittelbar hinter dem Schloss fällt eine Steilküste zu einem weißen Sandstrand ab. Damals war das schlecht, denn so konnten die Spanier den Ort von ihren Schiffen aus sehen, mit der Folge, dass er als einer der ersten platt gemacht wurde, heute aber liefert das Meer im Hintergrund ein herrliches Panorama.

Zurück nach Miami
Leider war Tulum gleichzeitig die letzte Station auf unserer Kreuzfahrt, und als wir nach einer erneut äußerst schaukeligen Überfahrt wieder an der "Freedom of the Seas" ankamen, stellte sich erstmals ein Gefühl von Abschied ein. Zwar lag noch ein Seetag zwischen uns und dem Hafen von Miami, aber der verging auch wie im Fluge, trotz weiterhin recht unruhiger See. Zusammenfassend kann man sagen, dass eine Karibikkreuzfahrt herrlich erholsam ist und man die "Freedom of the Seas" bedenkenlos empfehlen kann. Dass Essen, Ambiente und Programm auf dem Schiff sehr amerikanisch sind, darf nicht verwundern, wenn man mit einer amerikanischen Reederei durch Gewässer vor der amerikanischen Küste schippert. Man muss eben wissen, was man bucht. [...weiter]