USA & Kanada: Der Nordosten 

8. Teil: 16.09.04 bis 17.09.04
Asbury Park - New York (3)

 

Asbury Park, NJ
Als letzte Etappe der Reise stand nur noch die Rückreise von Washington nach New York auf dem Plan. Für diese hatten wir jedoch noch einen vielleicht etwas ungewöhnlichen Programmpunkt eingeplant - einen Abstecher nach Asbury Park, NJ. Hierzu muss ich vorausschicken, dass es sich bei Asbury Park um einen kleinen Küstenort südlich von New York handelt, der dermaßen heruntergekommen ist, wie ich es selten, ja eigentlich noch nie gesehen habe. Selbst entlang der einst in voller Blüte stehenden Strandpromenade finden sich nichts als eingefallene, halb abgerissene Gebäude, und auf den Straßen ist außer allgegenwärtiger Polizeiwagen niemand zu sehen. Der ganze Ort ist ein einziger Schandfleck auf der Karte, besonders wenn man sich vor Augen führt, dass direkt vor Asbury Park ein schnuckeliges Örtchen wie Belmar liegt, wo wir lauter hübsche Strandhäuschen zu sehen bekamen und jede Menge Einheimische und Touristen auch im September noch ein reges Strandleben entfalteten.

Was um alles in der Welt trieb uns also in ein gottverlassenes Nest wie Asbury Park? Ganz einfach: Bruce Springsteen. Seit über 20 Jahren interessiere ich mich für seine Musik. Ich kenne so ziemlich alle Lieder auswendig, habe zahlreiche Konzerte besucht und noch viel zahlreichere auf Tonträger gehört, eine Website zu seinen Ehren erstellt, besitze gut 50 Bücher über ihn und bin Abonnent eines in den USA erscheinenden Fan-Magazins. Naja, und eben jener Bruce Springsteen hat in Asbury Park seine musikalischen Wurzeln. Anfang der 70er Jahre, als Bruce anfing, ernsthaft Musik zu machen, war Asbury Park nämlich erst knapp über seine Blütezeit hinaus, und es gab noch eine lebhafte Szene um den "Boardwalk" herum. Hier hat er viele Mitglieder seiner späteren "E Street Band" kennen gelernt, und die Stadt, ihre Sehenswürdigkeiten sowie vor allem das Gefühl von jugendlicher Unschuld, das den jungen Bruce beseelt haben muss, sind in zahllosen Springsteen-Songs verewigt. Und da Susanne unter sanftem Druck einwilligte, mich zu begleiten, betraten wir am Nachmittag des 16.09.04 heiligen Boden. 

Zuerst nahmen wir die Strandpromenade in Augenschein, an deren oben beschriebenem Zustand es nichts zu beschönigen gibt. Man hat zwar mittlerweile begonnen, einige der verfallenen Gebäude abzureißen, und es soll wohl Investoren geben, die einen neuen Hotel- und Vergnügungskomplex entstehen lassen wollen, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Unter diesen Gebäuden befinden sich übrigens auch "The Palace" und das "Casino", wo der junge Bruce um 1970 abhing. Von einer Wand des "Palace" grinste über Jahrzehnte Clown "Tillie" herab, der von den Einwohnern im Laufe der Jahre zum Sinnbild für den Niedergang der Stadt gemacht wurde, sie aber auch an bessere Zeiten erinnerte. Sein Antlitz wurde daher Dank einer Bürgerinitiative beim Abriss des "Palace" herausgemeißelt und konserviert. Eine auf einem anderen Gebäude noch vorhandene Nachbildung zeigt das kleine Foto.

Direkt an der Strandpromenade steht auch die Box von "Madam Marie", der örtlichen Wahrsagerin, die von Springsteen in dem Song "Fourth of July, Asbury Park (Sandy)" verewigt wurde:
 

Now the cops finally busted Madam Marie
For telling fortunes better than they do
This boardwalk life for me is through
You know, you ought to quit this scene too

Natürlich war die Box geschlossen, denn Madam Marie ist inzwischen über 90, und obwohl sie noch immer im Geschäft ist, öffnet sie nur noch in den Sommermonaten für ein paar Stunden die Woche. Ein besonderer Ort für Springsteen-Fans. Gleiches gilt für das "Stone Pony", einen Musikclub, in dem Bruce nach wie vor in unregelmäßigen Abständen immer wieder Gastspiele gibt. Seit den 70ern mehrfach renoviert, umgezogen und der Pleite ebenso oft entkommen wie wieder hinein gerutscht, hat es sich doch bis heute gehalten. Natürlich war auch das Stone Pony zu, denn dort ist nie vor 22 Uhr etwas los, unter der Woche schon gar nicht.

Für mich war es ein besonderes Gefühl, diese ganzen Örtlichkeiten, von denen ich so viel gehört und über die ich so viel gelesen habe, einmal in natura sehen zu können. Ich bin mir dabei durchaus darüber im klaren, dass 99% aller Menschen mit Asbury Park überhaupt nichts anfangen können und einen solchen Ausflug für reine Zeitverschwendung halten, aber das ist mir ehrlich gesagt egal. Andere rennen in Klingonen-Uniformen herum, züchten Hühner oder bauen sich eine Anlage mit 20.000 Watt in ihren Golf GTI ein. Ein Spleen darf sein, meine ich. Nach einer guten Stunde war es dann aber auch genug, und wir fuhren ohne weitere Umwege nach New York durch.

New York, Teil 3
Dort angekommen mussten wir uns erst einmal bis zum Hotel durchschlagen, was überraschend gut klappte, denn New York ist ein Dschungel, und wir waren mitten in der Rush hour dort. Nur vor dem Hotel gab es keinen Parkplatz, so dass ich in zweiter Reihe hielt, um kurz einzuchecken und nach einer Parkmöglichkeit zu fragen. Als wir vielleicht zwei Minuten später wieder am Auto ankamen, schrieb gerade ein ziemlich unfreundlicher Polizist ein Knöllchen für Falschparken. "Knöllchen" trifft es dabei nicht wirklich, denn der Spaß sollte immerhin 115 Dollar (!) kosten. Die teuersten zwei Minuten meines Lebens. Bezahlt haben wir allerdings nicht, denn in der Hotellobby hatte man mit solchen Strafen gegen Hotelgäste schon jede Menge Erfahrung, und so druckte man uns am nächsten Tag ein bereits auf dem Hotel-PC befindliches, vorformuliertes Einspruchsschreiben aus. Namen eingesetzt, abgeschickt, fertig. Ich hoffe, es hat geholfen.

Am Abend stand dann das fast schon traditionelle Abschluss-Baseballspiel auf dem Programm. Diesmal spielten sogar "meine" Atlanta Braves im Shea Stadium in Queens gegen die heimischen New York Mets. Obwohl die Braves in ihrer Division gute 20 Spiele Vorsprung auf die Mets hatten, unterlagen sie ihnen an diesem Abend klar. Das Spiel war schon nach dem ersten Inning praktisch vorbei, in dem der junge Pitcher der Braves sich und seinem Team einen 0:7-Rückstand einbrockte. Gut, egal. So konnte man wenigstens in Ruhe ein Hotdog holen gehen.

Central Park, Metropolitan Museum
Am nächsten Tag standen dann schon die Rückgabe des Mietwagens und der Rückflug an, allerdings erst am späten Nachmittag, so dass am Vormittag noch genug Zeit für einen Stadtbummel blieb. Unser Hotel befand sich in unmittelbarer Nähe des Central Parks, und was lag da näher, als einen Spaziergang zu machen? Ziel sollte das Metropolitan Museum of Art sein, das wir 1997 schon einmal besucht hatten. Der Park ist sehr schön angelegt und wirkt wie eine Oase in der Betonwüste. Viele Jogger nutzen ihn zum Frühsport, und es gibt eine ganze Reihe kleiner Trampelpfade, die ohne Ortskenntnisse ganz schön verwirrend sein können. Irgendwie sind wir aber durchgekommen, und das Museum lohnte den Anmarsch durchaus. Es gibt eine ägyptische Abteilung, die den Vergleich mit dem Britischen Museum in London nicht scheuen muss. Die Exponate sind in London vielleicht noch einen Tick exklusiver, aber in New York waren sie dafür einen Tick geschmackvoller drapiert. In jedem Raum hatte man den Eindruck, dass sich die Verantwortlichen Gedanken gemacht hatten, wie man was am besten präsentieren könnte. Viele Ausstellungsstücke waren z.B. besonders angeleuchtet, und jedes Stück hatte genug Platz um zu wirken. Ich mag es nämlich nicht so sehr, wenn ein Museum (wie z.B. der Louvre) so vollgestopft ist, dass man den einzelnen Gegenstand überhaupt nicht mehr wahrnimmt.


Ende der Reise
Zum Abschluss der Reise ging es zurück durch den Central Park zum Hotel, von dort aus durch den völlig verstopften Lincoln-Tunnel zum Newark-Airport, und von dort aus mit dem Airbus ab nach Hause. Es war eine wunderschöne Tour, auf der wir insgesamt knapp 2.000 Meilen gefahren und - subjektiv empfunden - beinahe ebenso viele gewandert sind. Trotzdem gäbe es in diesem Teil der Welt sicherlich noch unendlich viel mehr zu entdecken.


Fotos: 




Die Strandpromenade von Asbury Park zur Blütezeit und heute.
(Quelle Foto oben: Internet)



Madam Marie Readings mit und ohne Bruce.
(Quelle Foto oben: Bruce Springsteen - "Songs")





Das legendäre "Stone Pony" in Asbury Park.



Shea Stadium, Home of the Mets.