Nach der Übernahme des Mietwagens fuhren wir bei leichtem Nieselregen, der sich allerdings bald legte, vom O'Hare Airport am Stadtrand von Chicago zunächst nach Springfield, IL. Man muss aufpassen, dass man die vielen Springfields in den USA nicht miteinander verwechselt (allein zwei davon liegen an der Route 66). In diesem Springfield lebte und arbeitete Abraham Lincoln von 1837 bis zu seinem Einzug ins Weiße Haus im Jahre 1861. Diese Tatsache ist unmöglich zu übersehen, denn Springfield ist Lincoln City! An jeder Ecke gibt es einen Andenkenladen, ein Museum oder ein Haus mit irgendeiner Beziehung zu Lincoln zu bestaunen.

Uns bleibt Springfield vor allem aus zwei Gründen in Erinnerung: Erstens sammelten wir hier unsere ersten Erfahrungen mit den bereits in der Einleitung beschriebenen 40 Grad Außentemperatur, und zweitens gibt es dort einen Drive-In-Friedhof, auf dem Lincoln bestattet wurde. Kein Witz, man fährt mit dem Auto quer durch den Friedhof, an den anderen Gräbern vorbei, bis unmittelbar vor Lincolns Mausoleum. Dort findet sich neben seinem Sarg auch eine riesige Büste von ihm. Man beachte die blank geputzte Nase.


Die Strecke von Springfield nach St. Louis ist wirklich nichts Besonderes, und - ehrlich gesagt - die Stadt St. Louis auch nicht. Ihr absolutes Highlight ist der Mitte der 1960er Jahre erbaute "Gateway Arch", der daran erinnern soll, dass St. Louis das "Tor zum Westen" ist. Da der Bogen immerhin 192m Höhe und 192m Spannweite aufweist (und damit das höchste Denkmal der USA ist), ist er aus der Nähe nicht eben leicht zu fotografieren. Bei unserer Ankunft am späten Nachmittag hatten wir zudem recht wolkiges Wetter, sodass gute Fotos zunächst nicht wirklich gelangen. Am nächsten Morgen erhielten wir aber eine zweite Chance, denn die Sonne schien, und der Reiseführer wartete mit einem Geheimtipp auf: Auf der gegenüberliegenden Seite des Mississippi liegt der Malcom W. Martin Memorial Park, der in Wahrheit kein Park, sondern nur eine mittelgroße Wiese ist, jedoch über ein Aussichtsplateau mit phantastischem Blick auf den Gateway Arch und Downtown St. Louis verfügt. Und das Beste war, dass wir dort völlig unter uns waren und so in Ruhe den Ausblick genießen konnten. Keine Busse, keine Japaner, keine Kitschläden! Endlich mal ein Geheimtipp, der wirklich noch geheim ist!


Was haben Memphis (TN) und Münster (NRW) gemeinsam? Ihre Insellage! Meilenweit drumherum gibt es nur das weite Nichts. Deshalb stand nach St. Louis eine Entscheidung an: Wollten wir jemals im Leben Memphis sehen, so war dies unsere Chance, denn näher würden wir nie mehr herankommen. Allerdings sind es von St. Louis bis Memphis immerhin auch noch 280 Meilen, und das bedeutet beim amerikanischen Tempolimit von 65mph gute vier Stunden Fahrt auf der I-55 nach Süden. Wir haben es trotzdem getan, und mit Sicherheit nicht bereut. Denn in Memphis war bekanntlich Elvis Presley zu Hause, und Graceland, sein Anwesen, ist einfach nur cool.
 

Der Eintritt ist mit 35 Dollar pro Nase zwar nicht ganz billig, aber es lohnt sich auf jeden Fall. Schon der Beginn des Rundgangs ist amerikanisch, wie er amerikanischer nicht sein kann, denn geboten wird eine Busfahrt über eine Strecke von 200 Metern (!) vom Ticketschalter zum Eingang von Graceland. Der Amerikaner würde nie auf die Idee kommen, dass man eine solche Distanz auch zu Fuß zurücklegen könnte! Und selbst wenn man wollte (und wir wollten!) - es geht nicht. Man kommt nicht 'rein, wenn man nicht in den Bus einsteigt. Immerhin, der Bus war klimatisiert, was bei knapp 40 Grad Außentemperatur eine willkommene Abkühlung bedeutete.

Man muss kein großer Elvisfan sein, um bei Graceland ins Staunen zu geraten. Denn der ganze Laden ist noch so, wie der King ihn bei seinem viel zu frühen Tod hinterlassen hat, also auf dem Stand der 1970er Jahre. Das bedeutet: bunt, bunt, bunt. Jedes Zimmer hat sein eigenes Design, wobei man sich fragt, wie Elvis nicht erblinden konnte angesichts der grellen Farben, denen er sich täglich aussetzte. Allgemein bekannt ist ja der "Jungleroom", in dem gegen Ende von Elvis' Karriere sogar Plattenaufnahmen stattfanden. Aber auch der TV-Raum, das Billardzimmer und viele andere Räumlichkeiten sind derart schrill, dass man mit offenem Mund durchgeht. Sonst besichtigt man ja immer nur Schlösser und Paläste, in denen vielleicht ein paar alte Rüstungen herumstehen und große Schinken mit irgendwelchen Adeligen an der Wand hängen. Im Vergleich dazu ist Graceland ein völlig neues Erlebnis.

Nicht ohne Kitsch, aber dennoch recht angemessen fand ich die Grabstelle hinter dem Haus, in der Elvis und seine Eltern ihre letzte Ruhe gefunden haben. Warum sollte man den Fans nicht die Gelegenheit geben, sich mit Blumen oder einem Andenken beim King zu bedanken? Ich stand mit etwas gemischten Gefühlen am Grab, denn mir ging immer der Satz von Bruce Springsteen über Elvis im Kopf herum: "Es ist tragisch, dass jemand, der so viel Einsamkeit vertrieben hat so einsam gestorben ist."
 

Natürlich gibt es neben Graceland Mansion noch unendlich viel mehr zu sehen. Zum Beispiel die Sammlung der Preise, die Elvis im Laufe seiner Karriere verliehen wurden (das waren nicht wenige, wie man sich denken kann), seine Autos, seine Outfits (darunter das legendäre Lederoutfit aus dem '68er-Special und das nicht minder berühmte "Aloha Eagle"-Kostüm von der Hawaii-Show 1973), ein ganzes Museum zu seinen Filmen und Vieles mehr. Sogar sein Flugzeug "Lisa Marie" konnte man von innen besichtigen.

In Downtown Memphis kann man weitere historische Orte abfahren, die mit Elvis zusammenhängen, darunter die von Marc Cohn in seinem Hit "Walking in Memphis" verewigten Beale Street, auf der sich zu Elvis' Zeiten die angesagtesten Läden befanden, und das bis heute existente Studio von "Sun Records", in dem Elvis seine ersten Aufnahmen machte. Gegenüber Graceland fällt aber alles ab, sodass wir dort nur wenig Zeit verbrachten und uns bald auf die lange Fahrt nach Oklahoma City machten, wo wir die Route 66 wieder aufnehmen wollten.



In Oklahoma City gibt es im Grunde nichts zu sehen. Es handelt sich um eine reine Industriestadt, die vom Öl profitiert und gleichzeitig ein beliebter Umschlagplatz für Vieh ist. Daher prägen Bohrtürme und Rinder das Stadtbild.

Die Nummer mit den Bohrtürmen hat mich tief beeindruckt. In Deutschland bemühen wir uns um eine geordnete städtebauliche Entwicklung, wo jede Hütte ihre Abstandsfläche einhalten muss und zwischen Gewerbe- und Wohngebieten möglichst eine Grünfläche, zumindest aber ein Mischgebiet zu liegen hat, und die Amis knallen einfach 2.000 Bohrtürme mitten in die Stadt! Dabei machen sie vor nichts halt. Zwei besonders schöne Beispiele sind hier zu bewundern: Die Pumpe oben steht unmittelbar vor einem Krankenhaus, und der Bohrturm unten direkt vor dem Oklahoma City Capitol, also dem Landesparlament des Bundesstaates Oklahoma. Wunderschön! Man stelle sich mal vor, wir würden auf dem Prinzipalmarkt in Münster nach Öl bohren! Der Turm unten ist übrigens längst außer Betrieb. Ich verstehe beim besten Willen nicht, warum das Ding immer noch da steht und die Landschaft verschandelt. Andererseits ist es typisch für Amerika und besonders typisch für die Route 66. Nie im Leben habe ich so viele verlassene Gebäude gesehen.

Wie man nachstehend sehen kann, lassen auch die Kapazitäten für Rinder nichts zu wünschen übrig. Wir hatten das Glück, an einem Dienstag in Oklahoma City zu sein. Dienstags ist nämlich in den Oklahoma National Stockyards Auktion. Ein irres Schauspiel. Junge Rinder werden von Helfern mit einer Art Fliegenklatsche aus ihren Boxen durch lange Gänge in die Auktionshalle (im Bild unten in der linken oberen Ecke zu erkennen) getrieben, in der neben Touristen auch ein paar ernsthafte Bieter sitzen. Die ganze Zeit brabbelt der Auktionsleiter einen Kauderwelsch, der nur für Eingeweihte verständlich ist. Auch das Bieten läuft offenbar nach eigenen Regeln ab, jedenfalls wird anders als bei uns nicht die Hand gehoben. Ich habe das Procedere lange beobachtet, und doch ist es mir nicht gelungen festzustellen, wie Gebot und Zuschlag erfolgen. Vermutlich reicht ein Augenkontakt, oder ein Zupfen am Bart oder eine andere subtile Geste. Jedenfalls scheint das System äußerst effektiv zu sein, für ein Rind verging selten mehr als eine Minute. Und das ist gut so, denn es stinkt gewaltig!