Loch Lomond
Loch Lomond ist einer der größten Binnenseen Schottlands. Um den See zu erkunden, kann man die Westseite entlang der A 82 fahren, wie es die meisten Touristen tun. Ich entschied mich jedoch für die Ostseite, an der nur eine schmale Landstraße entlang führt, die zudem in dem kleinen Ort Rowardennan in einer Sackgasse endet. Man muss also den ganzen Weg wieder zurück, und genau das ist der Grund, warum man hier schön für sich und abseits vom Rummel ist. Die Strecke ist wirklich einmalig schön. Ich war früh morgens unterwegs, und zu dieser Zeit verdeckten noch Nebel und Wolken die Sonne. Genau so habe ich mir Schottland immer vorgestellt: Grüne Hügel, Wolken, Nebel, Kühe und Schafe entlang eines Sees.

Auf halber Strecke nach Rowardennan kommt man durch Balmaha, ein Dorf von vielleicht 100 Seelen, wo man von einem Visitor Center aus den "Millenium Forest Path" beschreiten kann. Die Wanderung dauert bei gemütlichem Schritt und einigen Stopps eine knappe Stunde und führt an zahlreichen Aussichtspunkten vorbei, die aus jeweils anderer Perspektive einen schönen Blick auf Loch Lomond erlauben. Ich habe unterwegs keine Menschenseele getroffen, und genau diese Ruhe ist es ja, die man hier sucht. Übrigens heißen alle Seen in Schottland (mit einer Ausnahme) "Loch", nicht "Lake". Überhaupt entsprechen viele schottische Wörter eher dem Deutschen als dem Englischen. "Kirk" etwa bedeutet "Kirche", und "Tariff" nennt man die Preise für ein Hotelzimmer. Man spricht auch nicht Englisch, sondern ein unverständliches Kauderwelsch mit einigen untergemischten englischen Sprachfetzen. Eine typische Konversation mit einem schottischen Kellner anlässlich einer Tischreservierung läuft in etwa so:

FS: I'd like to make a reservation for tonight.
Kellner: Sdljfhkjsv  ajghagdadjg agdhdfag hjd people sdabfaskhdgfhasd sdahgdahsg?
FS: Just for myself.
Kellner: Fcvbkjvfeaö  ejrbergb  gkebgkr ger gerk k grrreg time gwerg grrweg ?
FS: Eight-thirty would be fine.
Kellner: Twhefhbgfd hrghbr er gegr reg r egpoztite zntr zwhz trw ztwztrztrz.
FS: Thank you.

In Rowardennan angekommen hatte ich etwas Pech, weil gerade ein Schauer durchzog. Viel zu sehen gibt es dort aber ohnehin nicht, die Aussicht auf den See fand ich entlang des "Millenium Forest Path" besser. Allerdings kann man von hier aus Ben Lomond sehen, die 974 m hohe Erhebung, die dem See seinen Namen gab. Wer die Zeit und die Fitness hat, kann den Berg über einen schmalen Pfad auch ersteigen. 

Munros
Kleiner Exkurs: In Schottland gibt es 284 Erhebungen über 914 Meter (= 3000 Fuß, daher die "krumme" Zahl), die von einem Herrn Hugh Munro im Jahre 1891 katalogisiert worden sind. Für sie hat sich seither der Sammelbegriff "Munro" eingebürgert. Das Sammeln von Munros ("Munro bagging") ist für manche ein regelrechter Sport, und im Internet gibt es eine Seite, auf der die Namen all derer veröffentlicht sind, die sämtliche 284 Munros bezwungen haben. Ich habe die Chance, die Anzahl der von mir bezwungenen Munros auf 1 zu erhöhen, allerdings spontan sausen lassen, weil ich jedenfalls die Zeit (4 Stunden muss man rechnen) nicht hatte, die Fitness wahrscheinlich auch nicht. Und noch ein Wort zu den Höhen: Der höchste Berg der britischen Insel ist Ben Nevis mit 1344 m. Verglichen mit den Alpen ist das kein Berg, sondern ein Hügel. Wenn man an seinem Fuß steht, sieht dieser "Hügel" aber aus wie der Mount Everest. Das liegt daran, dass man in den Alpen schon auf einem gewissen Höhenniveau ist, bevor man zu einem Gipfel aufbricht, während man in Schottland auf Meereshöhe anfängt. Es macht m.E. kaum einen Unterschied, ob man von 0 auf 1344 oder von 1500 auf 2844 Meter klettert. Man sollte die sportliche Leistung, die hinter der Bezwingung eines Munros steckt, also nicht unterschätzen. 

Stirling
Als nächstes stand Sterling auf dem Programm. Dem kleinen Städtchen merkt man an, dass hier im 2. Weltkrieg nichts kaputt gegangen ist, denn die meisten Häuser in der Innenstadt sind aus Stein gemauert und dürften in ihrer Substanz aus dem vorletzten Jahrhundert stammen. Tradition wird hier groß geschrieben. Kein Wunder, denn ganz in der Nähe fanden zwei große Schlachten mit den Engländern statt, in denen die Schotten - was sehr selten vorkam - glanzvolle Siege errangen:

William Wallace und Old Stirling Bridge
Die erste trug sich 1297 zu, als William Wallace - der erste und vielleicht berühmteste unter den vier zu schottischen Nationalhelden aufgestiegenen Freiheitskämpfern - den Engländern den Nachschub abschnitt, indem er die "Old Sterling Bridge" zerstörte, und dann in aller Ruhe die auf sich allein gestellte englische Vorhut aufrieb. Eine "Old Sterling Bridge" gibt es noch heute (Bild rechts), aber die hat mit der von William Wallace nur noch den Standort gemein. Sie wurde im 15. Jahrhundert errichtet und besteht aus Stein, während die Originalbrücke aus Holz war. 

William Wallace starb eines grausamen Todes; er wurde 8 Jahre später von den Engländern gefasst und als Verräter der Krone stranguliert, gestreckt und gevierteilt. Seine Verdienste um die Freiheit Schottlands sind jedoch unvergessen und durch ein gewaltiges, auf einer Anhöhe liegendes Monument verewigt, das man gegen 6 Pfund eintritt erklimmen kann. Zunächst muss man den Hügel 'rauf, auf dem das Monument liegt, und in seinem Innern erwarten einen dann noch einmal 246 Stufen bis nach oben. Ziemlich anstrengend. Dafür ist der Ausblick über Sterling einmalig. Vorsicht: Der Wind bläst dort oben wie verrückt! Am Fuße des Monuments steht ein Denkmal, das verdächtig an Mel Gibson erinnert, der William Wallace bekanntlich in dem Film "Braveheart" verkörperte. Die Frage muss erlaubt sein, ob hier William Wallace oder Mel Gibson ein Denkmal gesetzt werden sollte.

Robert the Bruce und Stirling Castle
Die zweite Schlacht schlug Schottenkönig Robert the Bruce (Bild) - der zweite Nationalheld - im Jahre 1314 bei Bannockburn vor den Toren von Stirling Castle. "He who holds Stirling Castle holds Scotland", soll er einmal gesagt haben. Ganz so hat er es aber offensichtlich nicht gemeint, denn nachdem er die Engländer aus Stirling Castle vertrieben hatte, ließ er die Burg einreißen, damit die Engländer sie nicht wieder okkupieren konnten. Aus diesem Grund hat das heutige Stirling Castle mit der Burg von Robert the Bruce auch nicht mehr gemein als die heutige Old Stirling Bridge mit der von William Wallace. Erst die Söhne von Robert the Bruce begannen mit dem Wiederaufbau, der sich über Jahrhunderte hinzog. Heute sind die Restaurationsarbeiten in vollem Gange. Der Eintritt ist mit 8 Pfund recht teuer, am schönsten sind zweifellos die Außenanlagen mit den Gärten. Die Räume sind nicht eingerichtet, sie bestehen nur aus Betonwänden. Einzig die große Halle ist einigermaßen hergerichtet, wenngleich man auch nur Wandteppiche und zwei Holzstühle zu sehen bekommt, die wohl an den Thron von König und Königin erinnern sollen. Am Fuße der Burg gibt es noch einen Friedhof, der vom Reiseführer als Attraktion beschrieben wurde, m.E. aber nichts Besonderes darstellt. Robert the Bruce war übrigens ein besseres Schicksal vergönnt als William Wallace, denn die Engländer hatten nach der Niederlage von Bannockburn von Schottland die Schnauze voll. Sie ließen Robert the Bruce dort fortan freie Hand und willigten 1328 im Vertrag von Northampton sogar förmlich in die Unabhängigkeit ein, die zumindest auf dem Papier immerhin knappe 400 Jahre hielt.

Rob Roy
Von Stirling aus fuhr ich sodann quer durch die Highlands 'rauf nach Fort William, wo ich übernachtete, bevor am nächsten Tag die "Road to the Isles" anstand. Eine Zwischenstation sollte man auf diesem Weg aber auf keinen Fall versäumen: Kurz bevor die A 84 auf die A 85 trifft, geht eine kleine Seitenstraße nach Balquhidder ab, wo Robert MacGregor begraben liegt. "Rob Roy", wie er allgemein genannt wird, ist die Nummer drei auf der Liste der Nationalhelden. Auch sein Leben wurde ja mittlerweile von Hollywood verfilmt. Er war ein für vogelfrei erklärter Viehdieb, eine Art schottischer Robin Hood, der bei der Bevölkerung großes Ansehen genoss, weil er es mit der Obrigkeit aufnahm. "MacGregor despite them" steht auf seinem Grabstein. Obwohl er vogelfrei war und ihn eigentlich ständig irgend jemand hängen oder ins Verließ werfen wollte, starb Rob Roy in seinem eigenen Bett, und zwar 1734 im damals biblischen Alter von ca. 70 Jahren. Sein Grab liegt vor der Kirche von Balquhidder, die von außen auf ihre schlichte Art sehr beeindruckend ist. Die Atmosphäre hat mich etwas an die Kirche von Maria Alm erinnert, die auch in einem abgelegenen Bergdorf steht, auch sehr beeindruckend und auch von einem spektakulären Friedhof umgeben ist. Die Inneneinrichtung kann mit dem Prunk in der Kirche von Maria Alm allerdings überhaupt nicht mithalten, sie ist vielmehr schlicht, beinahe lieblos.

Die Highlands
Mit der A 85 in die A 82 gehen auch die Lowlands (wie ich Zentralschottland einmal nennen möchte) in die Highlands über. Es wird deutlich hügeliger, fast gebirgig, und das Wetter verschlechtert sich schlagartig. Während es in Stirling und Balquhidder noch trocken und überwiegend sonnig war, goss es in den Highlands wie aus Kübeln. Zudem zogen dichte Wolken in allen nur denkbaren Grautönen um die Gipfel. Ich fühlte mich die ganze Zeit an den Film "Highlander" erinnert. Weite Felder, umgeben von wolkenverhangenen Hügeln. Erst in Fort William, meinem Ziel für die Nacht, klarte es wieder auf, und der Abend dort war ebenso schön und trocken wie der Tag in Stirling.

Das Massaker von Glencoe
Entlang der A 82 kommt man kurz vor Fort William durch Glencoe, wo das wohl schrecklichste Verbrechen der schottischen Geschichte stattgefunden hat. Hintergrund war, dass dem englischen König Wilhelm III. von Oranien die aufmüpfigen schottischen Clans ein Dorn im Auge waren. Er verlangte daher von den Oberhäuptern der Clans einen Treueeid, der in Inveraray abgelegt werden sollte. Insgeheim wartete er nur darauf, dass einer von ihnen dazu zu stolz sein würde, um an diesem und seiner Sippe ein Exempel statuieren zu können. Alasdair MacDonald tat ihm den Gefallen. Wie alle anderen hätte er den Eid wohl zähneknirschend abgelegt (und anschließend wieder gemacht, was er wollte); für ihn kam aber hinzu, dass Inveraray zum Gebiet des Campbell-Clans gehörte, mit denen die im Tal von Glencoe ansässigen MacDonalds verfeindet waren. So zögerte er den Eid bis zuletzt hinaus, und als er schließlich doch den Gang nach Canossa antrat, kam ihm zu seinem Unglück ein Unwetter dazwischen. Er verspätete sich und konnte den Eid erst einige Tage nach Fristablauf ablegen. Das genügte Wilhelm. Er beauftragte die Campbells, die Gastfreundschaft der MacDonalds zu suchen und diese dann bei günstiger Gelegenheit dem Schwert zuzuführen ("put them to the sword"). Am 13.2.1692 war es soweit: In einer Nacht- und Nebelaktion schlachtete der Campbell-Clan die MacDonalds ab, bei denen sie sich zuvor für mehrere Wochen als Gäste einquartiert hatten. Schätzungsweise 40 Menschen wurden im Schlaf ermordet, viele weitere kamen auf der Flucht bei eisigen Temperaturen in den Highlands um. Fast noch mehr als dieses heimtückische Verbrechen verurteilen die Schotten bis heute den Verstoß gegen die Gastfreundschaft, die selbst gegenüber dem Feind galt und heilig war. Der Name Campbell stand noch Jahrhunderte später für Verrat. In dem Ort Glencoe erinnert ein Visitor Center umfassend an diese grausame Tat.
 




Loch Lomond bei Balmaha am frühen Morgen.



William Wallace Monument.



Statue vor dem Wallace Monument und Mel Gibson in "Braveheart".



Old Stirling Bridge.



Stirling Castle von weitem.



Robert the Bruce wacht über Stirling.



Impression aus den Highlands.



Kirche von Balquhidder.



Das Grab von Robert "Rob Roy" MacGregor.