Am
04.01.06 stand für den Morgen die Fahrt von Port Campbell
nach Halls Gap an, dem Tor zum Grampians Nationalpark. Und
genau um 11.05 Uhr, nach 2.000 gefahrenen Kilometern,
passierte es: Ein rascheln im Busch links der Straße, und
plötzlich hoppelte ein
Känguru quer über die Fahrbahn. Zum Glück in
einiger Entfernung, so dass keine Gefahr für Tier und Pkw
bestand. Und obwohl wir natürlich wussten, wie ein
Känguru aussieht, dass es hüpft und dass es in
Australien jede Menge davon gibt, war es doch etwas
Besonderes, einmal eines in freier Natur zu sehen. Es
sollte nicht die letzte Begegnung bleiben, denn noch mehr
als einmal erspähten wir ein Känguru am Straßenrand.
Die Tiere hatten keinerlei Scheu vor dem Auto, und eines
ließ sich sogar aus nächster Nähe fotografieren (siehe
großes Foto unten).
Grampians
N.P.
Der Grampians Nationalpark wurde erst 1984 ins Leben
gerufen, ist also noch relativ jung. Erstmals erforscht
wurde das Gebiet allerdings bereits 1835 von Major Thomas
Mitchell, der die mit rund 1.000 m für australische
Verhältnisse sehr hoch gelegene Gegend nach seiner
Heimat, den Grampian Mountains im schottischen Hochland
benannte. Fünf Jahre später entdeckte der Viehtreiber
Charles Browning Hall zufällig eine Passage durch die
zerklüftete Landschaft. Zu seinen Ehren heißt das Tor zu
den Grampians bis heute Halls Gap (gap = Lücke,
Bresche).
Der Grampians Nationalpark besteht aus Gebirgsformationen
aus Sand- und Kalkstein, die sich in über 400 Millionen
Jahren durch Plattentektonik
aufgetürmt
haben. Die vielen kantigen Hänge entstanden dadurch, dass
weicheres Gestein durch Wind und Wetter nach und nach
abgetragen wurde. Die ganze Gegend einschließlich der
Berge ist sehr grün und fruchtbar. Deswegen begann
sehr schnell nach der Entdeckung die Besiedlung des
Gebiets, mit der eine Vertreibung der bis dato dort
ansässigen Aborigines einher ging. Bis heute kann man in
ca. 60 verschiedenen Höhlen Zeichnungen der Ureinwohner
bewundern, die z.T. über 5.000 Jahre alt sein sollen.
Neben der Flora verfügen die Grampians auch über eine
reiche Fauna, insbesondere über eine Vielzahl von Vogelarten.
Über 200 sollen es sein. Eine der seltensten und
vielleicht schönsten von ihnen ist der australische
Kakadu (kakatoe roseicapilla), mit dem wir bald
Bekanntschaft machten, weil sich eine solche Kakadufamilie
in den Bäumen um unser Hotel herum eingenistet hatte.
Ehrlich gesagt hätte ich auf diese Begegnung aber lieber
verzichtet, denn die Burschen machen einen Lärm, der
jeder Blechkapelle zur Ehre gereicht hätte. Unglaublich,
was die sich alles zu erzählen hatten.
Unser erster Weg nach dem Check-In im Hotel in Halls Gap
führte hinauf zum Boroka Lookout, von dem aus man
einen herrlichen Blick über Halls Gap, die umliegenden
Täler und den Lake Bellfield hat. Vom ganz in der Nähe
gelegenen Reed Lookout aus muss man noch einen
Fußweg von knapp einem Kilometer in Kauf nehmen, um zur
Hauptattraktion des Nationalparks zu kommen: The
Balconies heißen zwei übereinander liegende
Felsvorsprünge, die mich persönlich eher an das Maul
einer Moräne erinnert haben als an einen Balkon. Aber
gut, Moräne hätte sich als Name für eine
Touristenattraktion vielleicht nicht so gut gemacht.
Früher konnte man den Vorsprung sogar
noch
betreten, heute gibt es nur noch eine in etwa 15 m
Entfernung angelegte Plattform, von der aus man ihn
besonders gut betrachten kann. Der Weg dorthin lohnt sich
in jedem Fall, zumal es auch unterwegs immer wieder
schöne Ausblicke auf die Umgebung gibt. Und die Eukalyptusbäume
verbreiten einen frischen, eigentümlichen Geruch, den wir
für immer mit Australien assoziieren werden.
Die Mackenzie Falls wurden im Reiseführer nur als
einer von zahllosen Wasserfällen beschrieben, und man
muss zudem einen beschwerlichen Abstieg (und anschließend
einen noch beschwerlicheren Aufstieg) über eine scheinbar
endlos lange Felsentreppe in Kauf nehmen, um sie zu sehen.
Trotzdem sollte man diesen Programmpunkt auf jeden Fall
mit einplanen, denn der Wasserfall entpuppte sich als
wunderschön. Man kann ihn einmal von oben betrachten,
weil der Abstieg genau an der Klippe vorbeiführt, an der
das Wasser in die Tiefe stürzt. Am schönsten wirkt er
aber von unten. Wir hätten stundenlang an dem Becken
sitzen können, in dem sich das Wasser sammelt. Dort gibt
es schattige Plätzchen, wenig bis keine Mücken und trotz
des guten Besuchs keinerlei Lärm, weil der Wasserfall
alle Umgebungsgeräusche schluckt.
Mt.
Gambier
Für den nächsten Tag stand eine längere Fahrt von Halls
Gap nach Kingston an, die sich in der Reisebeschreibung
wenig vielversprechend anhörte, sich aber dennoch als
sehr interessant
entpuppte.
Insbesondere Mt. Gambier, etwa auf halber Strecke zwischen
Halls Gap und Kingston gelegen, hat einiges zu bieten.
Einen ersten Vorgeschmack bot das aufwendig gestaltete
Visitor Center am Ortseingang, in dessen Garten eine
Nachbildung der "Lady Nelson", eines
englischen Seglers von 1799 steht, und dem das Umpherston
Sinkhole gegenüber liegt. Dabei handelt es sich um
ein riesiges Erdloch mitten in der Landschaft.
Ursprünglich war das Loch eine Höhle, aber das
Regenwasser hat im Laufe der zeit die Decke unterspült,
aufgeweicht und zum Einsturz gebracht. Was blieb war das
offene Loch, in dem heute ein Garten angelegt oder - wenn
man so will - tiefergelegt ist.
Die eigentliche Attraktion des Ortes ist aber der
erloschene Vulkan, der ihm seinen Namen gab. In seinen
Kratern befinden sich heute drei Seen, von denen der mit
Abstand schönste und bekannteste der Blue Lake
ist. Keine andere Sehenswürdigkeit auf unserer Reise trug
ihren Namen so zu Recht wie diese. Ich habe in meinem
ganzen Leben noch nichts derartig blaues gesehen wie
diesen See. Im März wechselt er seine Farbe und bleibt
bis November grau, bevor er wieder strahlend blau wird.
Dieses Phänomen war auf Hinweistafeln an einem der vielen
Aussichtspunkte erklärt, ich habe es aber nicht so ganz
verstanden. Grob gesagt hängt es mit Algen im See
zusammen, die in warmen Zeiten näher an die Oberfläche
kommen als in kalten und das Licht anders brechen als das
pure Wasser. Man kann in einer Schleife von 5 km um den
See herumfahren und ihn an mindestens 10 verschiedenen
Lookouts aus allen möglichen Winkeln betrachten. Die
anderen beiden Seen sind auch sehr schön, aber sie
verblassen im wahrsten Sinne des Wortes neben dem Blue
Lake. Wenn man nur dort wohnen und jeden Morgen diesen
Anblick genießen könnte...
Kingston
S.E.
Kingston S.E. (= South East), das Ziel unserer Etappe, ist
ein kleiner Ort mit vielleicht 1.500 Einwohnern, der sich
als Hauptstadt des Hummers
zu
etablieren versucht, um ein wenig am Tourismus zu
partizipieren. So hat bspw. unser Hotel keine Kosten und
Mühen gescheut und einen 15 m hohen (!) Hummer aus
Fiberglas vor dem hoteleigenen Restaurant aufgetürmt, den
sie "Big Lobster" getauft haben. Das Viech ist
so hässlich, dass es fast schon wieder schön ist.
Mehr aus Neugier als aus Interesse unternahmen wir gegen
Abend noch einen kleinen Ausflug zum Strand, von
dem in keinem Reiseführer irgend etwas zu lesen war. Dort
dann die Überraschung: Der Strand ist einfach herrlich!
Fast menschenleer, mit weißem Sand und einer sanften
Brandung. In einer Fischbude bewaffneten wir uns mit zwei
Portionen fish 'n' chips mit Cola und setzten uns damit
zum Abendessen auf den einzigen Steg, während vor uns so
langsam die Sonne unterging. Keine luxuriöse, aber eine
sehr romantische Mahlzeit, die nur kurz von einem Reporter
unterbrochen wurde, der uns für die Lokalzeitung, den
"Coastal
Leader", interviewte und fotografierte. Leider
erscheint diese nur wöchentlich, in unserem Fall vier
Tage nach dem Interview, so dass wir kein Belegexemplar
vorweisen können.
Im Hotel wunderten wir uns vor dem Schlafengehen noch
über den Radiowecker, der eine halbe Stunde nachging.
Hilfsbereit wie wir sind stellten wir ihn kurzehand
richtig. Am nächsten Morgen machte uns dann aber doch
misstrauisch, dass auch die große Uhr im Frühstücksraum
eine halbe Stunde nachging. Des Rätsels Lösung war, dass
wir ohne es zu merken die Grenze von Victoria nach South
Australia überquert hatten, und South Australia hat im
Verhältnis zu Victoria eine Zeitverschiebung von einer
halben Stunde. Zu meiner Schande gestehe ich, dass ich
noch nie von einer halbstündigen Zeitverschiebung gehört
hatte und glatt behauptet hätte, dass es so etwas nicht
gibt, wenn ich es jetzt nicht besser wüsste. Ähm,
Gelegenheit den Radiowecker zurückzustellen hatten wir
leider nicht mehr.
Bilder:
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