Auf zum Yellowstone!
Von Ellensburg aus wollten wir uns bis zum Yellowstone NP vorarbeiten. Dass die Fahrt dorthin einige Tage dauern würde, war angesichts der Entfernung von gut 650 Meilen (auf dem kürzesten Weg) klar. Weniger klar war, wo genau unsere jeweiligen Tagesetappen enden würden. Wir ließen uns einfach treiben und hielten nach einer Unterkunft Ausschau, wenn wir keine Lust mehr zum Fahren hatten.

Die Strecke entlang der I-82 und I-84 quer durch die dünn besiedelten Gebiete in Oregon und Idaho kann man als eintönig bezeichnen, wenn man kein Auge für die raue Schönheit dieser Landschaft hat. Wir waren jedenfalls bester Laune, denn es herrschte echtes Cabriowetter. Unterwegs hielten wir immer wieder an, um Fotos zu machen oder einen Imbiss zu nehmen. Zum Naturerlebnis trug ferner bei, dass auf den Autobahnen so gut wie kein Verkehr herrschte und sie im Gegensatz zu unseren nicht durch Lärmschutzwälle oder Windfänge von der Umgebung abgeschottet sind. Der Blick wandert ungehindert über weite Ebenen bis zum Horizont, an dem sich oft die Ausläufer der Rocky Mountains zeigten. Zuweilen konnte es auch unterwegs recht hügelig werden.

Hells Canyon
Entlang der Wegstrecke hatten wir gelegentliche Abstecher zu interessanten Sehenswürdigkeiten eingeplant. Einen solchen war uns der Hells Canyon wert. Fährt man bei Baker von der I-84 auf die 86, erreicht man nach gut 50 Meilen den Canyon, den der Snake River aus der gebirgigen Landschaft heraus gewaschen hat. Im Gegensatz zum Grand Canyon beeindruckt dort weniger der Überblick von oben, als vielmehr die Tatsache, dass man mit dem Pkw in den Canyon hinein fahren und ihn durchqueren kann. Am südlichen Ende des Canyons befindet sich der Hells Canyon Dam, der zur Stromerzeugung dient. Man kann den fließenden Strom dort tatsächlich knistern hören, wenn man unter den über die Straße gespannten Kabeln hindurch fährt.

Der Hells Canyon ist eine friedliche, vom Tourismus nahezu unberührte Oase inmitten einer unwirtlichen Landschaft. Es gibt zwar ein paar Campingplätze, aber keine größeren Orte oder Hotels. Wir hatten den Canyon fast für uns allein und genossen die Ruhe und die Einsamkeit sehr. Gleichzeitig machte der Hells Canyon seinem Namen alle Ehre, denn mit 102 Grad Fahrenheit (38,8 Grad Celsius) maß unser Bordcomputer hier die höchste Temperatur unserer gesamten Reise. Witzig war, dass wir bei diesen heißen Temperaturen immer wieder Schilder am Wegesrand sahen, die vor Schneetreiben und Glätte warnten. Es gab sogar eigene Standstreifen entlang der Autobahn, die allein zum Aufziehen von Schneeketten dienen sollten ("chain up!"). Im Winter kann es dort offenbar sehr ungemütlich werden.

Aus dem Hells Canyon heraus führten uns die 71 und die 95 noch bis nach Ontario, einem kleinen Ort unmittelbar an der Grenze von Washington und Idaho (nicht zu verwechseln mit dem kanadischen Bundesstaat gleichen Namens). Dort fanden wir ein überraschend schönes Hotel für die Nacht. Am Abend beschlossen wir dann noch, nicht wie ursprünglich angedacht nach Salt Lake City zu fahren, sondern den direkten Weg über Boise nach Idaho Falls zu nehmen. Von dort aus ist es nur noch ein Katzensprung bis in den Yellowstone NP.

Craters of the Moon National Monument
Der schnellste Weg nach Idaho Falls wäre wohl die Autobahn (I-84 und I-86) gewesen, aber wir beschlossen, statt dessen den Highway 20 zu nehmen, denn der führt, wie wir der Straßenkarte überrascht entnahmen, an den "Craters of the Moon" vorbei. Unsere Neugier war geweckt. Mondkrater in den USA? Was würde einem da wohl geboten? Dem Reiseführer war nicht viel mehr zu entnehmen, als dass es sich um eine Landschaft aus Vulkangestein handeln soll, die an die Mondoberfläche erinnert. Tatsächlich war dem auch so, aber was sich in Textform wenig interessant anhört, entpuppte sich als kleines Juwel: Karge Bäume ragen vor schwarzem Gestein in den Himmel auf (Bild links), man kann zahlreiche Vulkankrater erklimmen und riesige Felsen aus Vulkangestein liegen in der Gegend herum. Vergleichbares habe ich noch nie gesehen. Zu allem Überfluss hat man bei der Planung der Anlage auch noch gut nachgedacht und viel Liebe zum Detail bewiesen. Ein wunderbar in die Landschaft integrierter Rundkurs führt bspw. quer durch die "Craters of the moon" vorbei an den sehenswertesten Stellen, so dass man diese problemlos im Pkw erreichen kann. Überall gibt es Viewpoints und Rastmöglichkeiten, und wer mag, kann einige Krater und Hügel auf eigene Faust erklimmen.

Insgesamt kann ich von den "Craters of the moon" nur das Allerbeste sagen. Ich habe oft Verbesserungsvorschläge, aber in diesem Fall wüsste ich wirklich nicht, wie die Menschen vor Ort noch mehr aus dieser ihnen von der Natur gegebenen Attraktion hätten machen können. Wenn man nicht persönlich auf den Mond kommt, ist dies die nächstbeste Alternative!

Arco
Genau zwischen den "Craters of the moon" und Idaho Falls, unserem Ziel für die Nacht, liegt Arco, ein kleiner Ort ohne große Attraktionen, jedoch mit seltsamen, in den Felsen gehauenen Zahlen (Bild rechts), deren Bedeutung wir uns erst nicht recht erklären konnten. Die Nachfrage an einer Tankstelle ergab dann, dass sich auf diese Weise alle Highschool-Abschlussjahrgänge seit 1929 verewigen.
 
Idaho Falls
Idaho Falls, das wir am frühen Abend erreichten, wird von vielen als Durchgangsstation zum Yellowstone NP genutzt. Die Stadt kam uns nach all den kleinen Dörfchen unterwegs riesengroß vor, obwohl sie gerade einmal gut 50.000 Einwohner hat. Ihr Zentrum mit dem namensgebenden kleinen Wasserfall ist ganz nett angelegt.

Yellowstone NP
Der Yellowstone NP war das Hauptziel unserer ersten Reisewoche. Der älteste aller US-Nationalparks (seit 1872) ist mit einer Ausdehnung von rund 10.000 qkm
zugleich einer der größten. Seine Hauptattraktionen sind neben den endlosen Wald- und Wiesenflächen mit wild lebenden Bisons, Wölfen, Elchen und Bären die zahllosen Geysire und Heißwasserquellen, aus denen das Erdinnere an die Oberfläche sickert, blubbert, strömt oder spritzt. Will man diese Naturphänomene erleben, muss man sich beeilen, denn die Saison im Yellowstone NP ist sehr kurz, nur etwa von Juni bis Mitte September. Davor und danach versperren oft Schneefälle die Straßen, und es kann bitterkalt werden.

Es gibt mehrere Zufahrten zum Yellowstone NP. Die wohl am häufigsten genutzte Route ist die von Süden her. Sie bietet den Vorteil, durch den Teton NP zu führen, diesen Park also quasi als Vorgeschmack auf den Yellowstone NP "mitnehmen" zu können. Der Teton NP ist aber in erster Linie etwas für Wanderer, und von Idaho Falls aus kommend ist der Westeingang über den Highway 20 fahrtechnisch etwas günstiger. Wir entschieden uns also für diese Möglichkeit. Bereits kurz hinter West Yellowstone, wie der ganz auf Tourismus ausgerichtete Ort am Westeingang passender Weise heißt, bereuten wir diese Entscheidung aber schon wieder, denn auf einmal ging nichts mehr. Vor uns ein endloser Stau, und das früh Morgens. Nach einer halben Stunde völligen Stillstands ging es dann plötzlich weiter, ohne dass irgendwo ein Unfall, eine Baustelle oder eine andere Ursache erkennbar gewesen wäre. Seltsam, seltsam. Dieses Rätsel sollte sich erst später aufklären.

Lower Geyser Basin
Jedenfalls führte unser erster Weg zum "Lower Geyser Basin" (Bild oben links) mit seinem "Fountain Paint Pot", in dem die wie weiße Farbe aussehende Ursuppe blubbert. Zahlreiche dampfende Quellen und Wasserbecken sowie kleinere Geysire runden das Bild ab. Mitten in dieser Chemiefabrik kämpften einige karge Bäume um ihr Leben. Wirklich ein imposanter und interessanter Anblick und unseres Erachtens der ideale Einstieg in den Park.

Old Faithful
Das touristische Highlight ist wohl der weltbekannte Geysir "Old Faithful", in dessen unmittelbarer Nähe sich auch das größte Visitor Center und das ebenfalls sehr bekannte, größtenteils aus Holz gebaute Hotel "Old Faithful Inn" befinden. Old Faithful verdankt seine Bekanntheit und Beliebtheit wohl vor allem der Tatsache, dass er im Gegensatz zu den meisten anderen Geysiren im Park mit schöner Regelmäßigkeit und in kurzen Abständen ausbricht, nämlich ca. alle 75 Minuten. Auf andere Geysire muss man schon mal Monate oder gar Jahre warten, andere lassen sich kaum berechnen. Mit seiner bis zu 55 Meter hohen Fontäne ist Old Faithful, der sich bei unserer Ankunft als einfaches Loch im Felsen präsentierte, aber auch ein Schauspiel der besonderen Art. Im Visitor Center erfuhren wir, dass er gerade ausgebrochen war, wir also genau 75 Minuten bis zum nächsten Ausbruch Zeit hätten. Super, denn das gab uns Gelegenheit, die umliegenden Becken mit von Bakterien verfärbtem Heißwasser (Bild rechts) und die kleineren Geysire in Augenschein zu nehmen, die es dort zur Genüge gibt.

Einem Tipp aus dem Reiseführer folgend wollten wir den Ausbruch von Old Faithful auch nicht mit den Touristenmassen in unmittelbarer Nähe erleben, sondern von einem Aussichtspunkt aus, der einen hervorragenden Überblick über die ganze Gegend mit Old Faithful in der Mitte ermöglichte (Bild links). Dies setzte einen kleinen Bergaufmarsch von ca. 30 Minuten voraus, zu dessen Bewältigung uns noch genügend Zeit blieb. Oben angekommen fanden wir dann auch tatsächlich ein schattiges Geheimplätzchen ganz für uns allein.

Der Ausbruch selbst kam kurz nach der kalkulierten Zeit. Er dauerte ziemlich genau vier Minuten, dann war wieder Ruhe. Natürlich war er spektakulär, aber nicht besonders spektakulär. Wenn man schon einige künstliche Wasserfontänen gesehen hat, bemerkt man kaum einen Unterschied. Man muss sich eben klar machen, dass dort unten die Erde persönlich am Werk ist, um das Gesehene schätzen zu können. Hätte man jedoch einfach eine unterirdische Pumpe installiert, würde kaum jemand den Unterschied merken, behaupte ich. Gut, man müsste das Wasser noch heiß machen, aber das ließe sich heutzutage ja auch bewerkstelligen.

Yellowstone Lake
Nach dem Essen in einem kleinen Restaurant beim West Thums Geyser Basin bezogen wir unser Quartier. Hierzu muss ich ein wenig weiter ausholen: Im Yellowstone NP sind Unterkünfte während der kurzen Saison notorisch knapp. Es wird empfohlen, einige Wochen im Voraus zu reservieren, wozu wir natürlich nicht gekommen waren, da wir vor drei Tagen noch ga nicht wussten, dass es uns hierher verschlagen würde. Ein kurzer Anruf bei der zentralen Reservierungsstelle ergab dann, dass noch genau eine Unterkunft frei war, und zwar eine "Pioneer Cabin" in den Lake Lodges am Yellowstone Lake. Im Internet hatten wir bereits gesehen, dass diese Schlafstelle eher spartanisch ausfallen würde. Selbst die Werbeseite des Hotels beschrieb sie als "old, simple and plain unit built in the 1920's". Und tatsächlich machte unsere "Pioneer Cabin" (Bild links) ihrem Namen alle Ehre. Es handelte sich um einen gut 80 Jahre alten Holzverschlag, ohne Fernsehen oder Telefon, dafür aber mit fließendem Wasser. Gut, das warme Wasser war nach einer Duschminute zu Ende, aber man will ja nicht meckern! Wir nahmen es von der lockeren Seite und machten es uns so bequem, wie es sich auch ein Trapper vor hundert Jahren in seinem Verschlag bequem gemacht hätte. Etwas störend war nur der frische Wind, der offensichtlich durch eine undichte Stelle pfiff. Dass diese "undichte Stelle" das einzige Fenster war, stellten wir erst am nächsten Morgen fest, als ein Blick ins Freie ergab, dass das, was wir für eine geschlossene Scheibe gehalten hatten, in Wirklichkeit ein Fliegengitter war. Vor dem Schlafengehen verbrachten wir noch eine wundervolle Zeit am malerischen Yellowstone Lake (Bild rechts).
 

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Bilder:

 


Action in Oregon.



Hells Canyon am Hells Canyon Dam.



Zwei Bilder von den "Craters of the moon".







In den Berg eingravierte Zahlen bei Arco, Idaho.



Am Lower Geyser Basin im Yellowstone NP.



Der "Fountain Paint Pot" am Lower Geyser Basin.




Bäume kämpfen am Lower Geyser Basin ums Überleben.



"Old Faithful" in vollem Ausbruch.



Heißwasserbecken in unmittelbarer Nähe des "Old Faithful".



Yellowstone Lake.