Bisons im Nebel
Am nächsten Morgen waren wir früh auf den Beinen. Unsere Unterkunft war - wie erwähnt - nicht wirklich gemütlich, und wir hatten noch viel vor. Gegen sieben Uhr schien bereits die Sonne, und wir fuhren mit offenem Verdeck Richtung Grand Canyon of the Yellowstone los. Doch unterwegs setzte plötzlich dichter Nebel ein, der vom Yellowstone Lake aus über die Straße kroch. Etwas Schade, dachten wir zunächst, doch die Dinge sollten sich zum Guten wenden, denn plötzlich tauchte vor uns aus dem Nichts eine Bisonherde auf und überquerte in aller Ruhe die Fahrbahn. Zwei Bullen voraus, die offensichtlich die Lage sondierten, für ein paar Minuten stehen blieben, dann wieder einige Schritte machten, nochmals stehen blieben und schließlich eine ganze Herde von vielleicht 50 Tieren hinter sich herzogen. Und wir mitten drin! "Bisons im Nebel" war eines der Highlights unserer Tour und eine echte Belohnung für unser frühes Aufstehen. Jetzt wussten wir auch, warum wir am Tag zuvor ohne erkennbaren Grund eine halbe Stunde im Stau gestanden hatten: Es muss eine Bisonherde gewesen sein, die sich ähnlich viel Zeit gelassen hat wie unsere. Die Tiere haben vor den Autos weder Angst, noch sind sie in irgend einer Form aggressiv. Irgendwie scheinen sie sich an die Gäste in ihrem Revier gewöhnt zu haben.

Einige Meilen später stießen wir - der Nebel hatte sich mittlerweile verzogen - erneut auf Bisons. Dabei mussten wir über einen japanischen Fotografen lachen, der sich mit seinem Stativ allzu nah an einen Bison herangewagt hatte und dann Hals über Kopf in sein Auto sprang, als sich das Tier einige Schritte auf ihn zu bewegte. Nur gut, dass wir unsere Zoomkameras hatten, denn die erlaubten Aufnahmen aus dem sicheren PT Cruiser heraus. Ähnlich komisch ging es wiederum einige Meilen später zu, als wir mitten in der Wildnis auf zahllose am Wegesrand stehende Autos stießen. Ganz klar, hier musste etwas los sein, und so hielten wir auch an. Nur konnte uns zunächst keiner sagen, warum dort eigentlich an die hundert Menschen in der Gegend herum standen und die Hälse reckten. Der letzte der es wusste war offenbar vor einer halben Stunde gegangen! Einer meinte dann, irgendwo da hinten im Busch treibe sich ein Rudel Wölfe herum, aber sicher war er nicht, und gesehen hatte die Wölfe offenbar auch niemand. Ein klassisches Beispiel für die These, dass Leute Leute anziehen.

Grand Canyon of the Yellowstone
Als ich hörte, dass es auch im Yellowstone NP einen "Grand Canyon" gibt, war ich skeptisch. Ich mag es nicht, wenn sich jeder Canyon mit dem Grand Canyon (1, 2) vergleicht, weil es nichts vergleichbares gibt! Das gilt auch für den "Grand Canyon of the Yellowstone", aber ein Besuch dort lohnt sich auf jeden Fall. Zuerst sollte man am "Inspiration Point" Halt machen, von dem aus man den Canyon sehr gut überblicken kann (Bild links). Die gelben Sandsteine dort haben dem Nationalpark seinen Namen gegeben. Die Aussicht ist wirklich spektakulär, und am frühen Morgen herrschte dort eine beschauliche Ruhe.

Ein Muss ist auch der Abstecher zum "Brink of the Lower Falls", der mit einem ca. 600m langen Abstieg zu den "Lower Falls" verbunden ist. Unten angekommen steht man tatsächlich genau an dem Abgrund, von dem aus das Wasser des Yellowstone River 94m in die Tiefe stürzt (Bild rechts). Zum Vergleich: Die Niagarafälle sind nur ca. 50m hoch. Die kleine Wanderung zu diesem lohnenden Ziel hat uns viel Spaß gemacht und nach den langen Fahrstrecken auch sehr gut getan, wenngleich der Aufstieg zurück bei zunehmenden Temperaturen einigermaßen anstrengend war.

Mammoth Hot Springs
Etwas an Attraktivität verloren haben die Mammoth Hot Springs, unsere nächste Station, die schon ganz in der Nähe des nördlichen Parkausgangs liegt. Heißes, mit Kalziumkarbonat vermengtes Quellwasser trat hier aus verschiedenen Geysiren aus, wobei sich das Kalziumkarbonat an den Quellen ablagerte und auf diese Weise weiße Terrassen bildete, über die das Quellwasser den Berg hinunter lief. Leider sind die Quellen seit einiger Zeit versiegt, so dass kein Wasser mehr über die Terrassen fließt. Von "Hot Springs" kann also eigentlich keine Rede mehr sein. Gleichwohl sollte man die Terrassen nicht auslassen, denn Vergleichbares sieht man nicht alle Tage, mit oder ohne Wasser. Ein schön angelegter Loop kann mit dem Wagen befahren werden und führt immer wieder an eigenartigen Felsformationen vorbei (Bild links).

Auf dem Weg dorthin kamen wir noch am "Roaring Mountain" vorbei, einer wenig beachteten Attraktion, die mir aber besonders gut gefallen hat: Aus einem Berg (der eher ein Hügel ist), strömt an zahllosen Stellen heißer Wasserdampf aus dem Erdinneren, so dass es wirklich so aussieht, als würde der Berg rauchen! Hier gibt es zwar nur eine kleine Haltebucht, aber ein Stopp lohnt sich auf jeden Fall.

Insgesamt fanden wir den Yellowstone NP genial gut. Er ist zwar etwas abgelegen, aber es lohnt sich auf jeden Fall, die Fahrt dorthin anzutreten. Man bekommt eine Menge geboten: Felder, Berge, Wald, wild lebende Tiere, einen Canyon, zahllose Geysire und Wasserfälle, blubbernde Erdlöcher, bunt gefärbte Quellen und rauchende Berge. Wo gibt es das sonst noch? Richtig und wichtig fanden wir auch, dass man die Natur weitgehend in Ruhe gelassen hat. Die Straßen und Aussichtspunkte sind so gut wie nur möglich in die Landschaft integriert worden, und nach dem verheerenden Feuer von 1988, das mehrere Monate wütete und ca. 1/3 des Baumbestandes im Park vernichtete oder schädigte, hat man die Bäume nicht etwa abgeholzt, sondern lässt sie auf natürliche Weise verwittern. Weitere Beispiele für den bedachten Umgang mit Flora und Fauna ließen sich anführen.

Livingston, Butte, Missoula
Nachdem wir den Yellowstone NP durch den Nordausgang verlassen hatten, mussten wir noch Meter machen, um am nächsten Tag den Glacier NP erreichen zu können. Deshalb fuhren wir ohne größere Pausen über den Highway 89 nach Livingston, weiter über die I-90 nach Butte (gesprochen "Bjut") und schließlich nach Missoula, wo wir in einem neu eröffneten Hotel übernachteten. Über den Ort können wir nicht viel berichten, außer dass er zum Glück über ein Outback Steakhouse verfügt, seit Florida 2003 far and away our Lieblingssteakhouse!

Von Missoula bis zum Westeingang des Glacier NP sind es immerhin noch knapp 150 Meilen, was angesichts der amerikanischen Geschwindigkeitsbegrenzungen drei Stunden Fahrt bedeutet. Wir waren also wieder früh unterwegs, und das war unser Glück, denn entlang des Weges taten sich uns zwei Attraktionen auf, mit denen wir nicht gerechnet hatten:

Great Bear Adventure
Entlang des Weges sahen wir plötzlich ein riesengroßes gelbes Banner mit der Aufschrift "Great Bear Adventure". Bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, dass man in einem unmittelbar an der Straße gelegenen Waldstück Schwarzbären und Grizzlys beobachten konnte. Gegen einen vergleichsweise günstigen Obolus von 8$ konnte man mit dem (geschlossenen) Wagen durch den Wald fahren, in dem sich einige Bären tummelten. Dieser kleine Abstecher hat uns viel Spaß gemacht, denn tatsächlich lief uns der eine oder andere Bär über den Weg, und diese Tiere zu beobachten ist einfach faszinierend. Wir hatten zudem das Glück, dass die Bären uns eine gute Show boten: Von der Nahrungsaufnahme über Fellputzen, Herumtollen bis hin zu einem echten Kampf war alles dabei! Dass die Bären sich nicht gänzlich in freier Natur bewegen konnten, sondern nur in einem großen Wald, tat dem Erlebnis keinen Abbruch, denn diese Tiere hatten Auslauf ohne Ende und konnten sich so frei bewegen, wie es einem Tier in Gefangenschaft nur irgend möglich ist. Ein Zoo kann da nicht mithalten, egal wie groß das Gehege sein mag.

Whitewater Rafting
Nach diesem ungeplanten Abstecher wollten wir eigentlich zum Glacier NP durchfahren, doch dazu kam es nicht. Wir hatten nämlich schon vor dem Urlaub locker angedacht, eine Raftingtour zu machen, falls sich die Gelegenheit ergeben sollte. Und sie ergab sich, denn zufällig fuhren wir an einer Raftingstation vorbei, vor der ein großes Schild ankündigte: "Next tour leaves 11 a.m." Blick zur Uhr: 10.55 p.m.! In fünf Minuten sollte es also los gehen. Wenn das kein Wink des Schicksals war... Wir steuerten jedenfalls schnurstracks auf den Parkplatz, ergatterten die letzten beiden Plätze in einem 6er-Schlauchboot, und ehe wir uns versahen hatten wir bereits eine (extrem eng geschnürte) Schwimmweste an und ein Paddel in der Hand. Zu dumm, dass wir ausgerechnet an diesem Tag beide weiße Hosen trugen, die zu wechseln keine Möglichkeit mehr bestand. Und an Sonnencreme, die in dem sonnendurchfluteten Canyon dringend erforderlich gewesen wäre, dachte in der Eile auch niemand. Für beide Versäumnisse bezahlten wir den Preis, aber man bekommt eben nichts geschenkt!

Die Raftingtour dauerte jedenfalls knapp 3 Stunden und fand auf dem Main Flathead River in unmittelbarer Nähe des Glacier NP statt. Zunächst ging es mit dem Kleinbus flussaufwärts, dann noch einen kurzen Wanderweg durch den Wald, bevor wir schließlich ins Boot einstiegen. In flachem Wasser machte uns unser Guide Russel (im Bild ganz hinten im Boot) zunächst mit den Basics des Wildwasserraftings vertraut, insbesondere den Sicherheitsvorkehrungen und seinen Kommandos wie "all forward", "rest" usw. Besonders schwer ist es nicht, und als die Stromschnellen schließlich kamen, schlugen wir uns auch ganz achtbar, wie ich sagen darf. Jedenfalls ist niemand über Bord gegangen und es hat Riesenspaß gemacht, ohne körperlich zu anstrengend gewesen zu sein. Stromschnellen der Kategorien 2 und 3 (auf der bis 6 reichenden Skala) sind für Anfänger wohl genau richtig. Ab 4 wird es Sport, ab 5 Leistungssport, und 6 ist eigentlich schon unmöglich.

Glacier NP
Nach diesem Abenteuer waren wir nass, erschöpft und glücklich. Man hätte sich auch ein Hotel suchen und den Tag auf der Terrasse ausklingen lassen können, aber es war erst früher Nachmittag, und zum Faulenzen war uns die Zeit einfach zu schade. Also fuhren wir noch über West Glacier in den Glacier NP hinein.  

Um den Glacier NP zu erkunden, gibt es zwei Möglichkeiten: Eine große und eine kleine Lösung. Die kleine Lösung beschränkt sich darauf, die "Going to the Sun Road" abzufahren, die auf 50 Meilen Länge quer durch den Park verläuft und die Eingänge West Glacier und St. Mary verbindet. Wer sie befahren will muss zwischen Juli und Mitte September kommen, sonst ist sie wegen Schneetreiben und Eisglätte unbefahrbar. Die große Lösung wäre gewesen, von West Glacier aus auf den Highways 2, 49 und 89 einmal rund um das Südende des Parks bis St. Mary zu fahren und dann auf der "Going to the Sun Road" nach West Glacier zurückzukehren. Dies hat allerdings den Nachteil, dass man am Ende wieder dort ankommt wo man angefangen hat, also mindestens eine Strecke doppelt fahren muss, wenn man weiter kommen will. Außerdem sollte die "Going to the Sun Road" laut Reiseführer alles andere in den Schatten stellen. Wir entschieden uns also für die "kleine Lösung".

Bereut haben wir es nicht. Die "Going to the Sun Road" hat alpinesquen Charakter: Berge, Seen, Wälder. Zum Glück ist sie entgegen erster Befürchtungen nicht allzu rege frequentiert. Ein Auto, mit dem man ein Wohnmobil auch auf kurzer Strecke noch sicher überholen kann, ist aber in jedem Fall von Vorteil. Ihren Höhepunkt erreicht die "Going to the Sun Road" jedenfalls im wahrsten Sinne des Wortes am Logan Pass, wo besonders schöne Ausblicke und ein gut gemachtes Visitor Center auf den Besucher warten. Hier wie an vielen anderen Orten haben wir uns allerdings gefragt, warum es keine schattigen Plätzchen mit Kaffe und Kuchen gibt. Immer nur kantinenartige Theken mit Fastfood! Im besten Fall liegt irgendwo ein Subway (vernünftiges Brot) oder ein Starbucks (trinkbarer Cappucino und Kakao). Mögen die Amerikaner keinen Kuchen? Wahrscheinlich ist er ihnen nicht süß genug...

Zusammenfassend kann man den Glacier NP als wunderschönes Naturerlebnis bezeichnen. Ein Besuch lohnt sich in jedem Fall. Allerdings müsste man unseres Erachtens nicht unbedingt über den großen Teich fliegen, um das zu sehen, was der Glacier NP bietet. Im Gegensatz etwa zum Yellowstone NP oder dem Grand Canyon gibt es Vergleichbares, vielleicht sogar noch einen Tick Schöneres (1, 2) auch im Herzen Europas.

Cardston
Ein Tipp noch: Wer in der näheren Umgebung des Glacier NP übernachten will, sollte sich unbedingt im Vorfeld nach einer Unterkunft umsehen. Die beiden Orte in unmittelbarer Nähe des Nationalparks, West Glacier und St. Mary, sind mini-klein und verfügen lediglich über ein Hotel, das in der Hauptsaison natürlich ausgebucht war. Wir mussten deshalb noch über die kanadische Grenze (endlich in Kanada, mit nur fünf Tagen Verspätung!) bis nach Cardston weiterfahren. Dort war es zwar auch voll, aber immerhin hatte noch ein von Chinesen betriebenes Motel eine Unterkunft frei, die sich als überraschend adäquat entpuppte. Der Check-In dauerte mit einer halben Stunde allerdings in etwa genauso lange wie das Überqueren der kanadischen Grenze, wobei ersteres an der Sprachbarriere (kanadisches Englisch mit chinesischem Akzent!), letzteres an den auch im absoluten Niemandsland äußerst gründlichen Kontrollen lag. Über das Essen im einzigen Restaurant in Cardston ("Yotee's Family Restaurant" - eine Webpage konnte ich nicht finden) sollte man eigentlich den Mantel des Schweigens legen, aber dennoch sei kurz erzählt, dass es dort zwar keinen Alkohol (not "fully licensed"), dafür aber die weltbesten Bruschetta gab. Wen interessiert da noch, dass unser Essen erst nach über einer Stunde kam und vollkommen kalt war?
 

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Bilder:

 


Bisons im Nebel.



Bison ohne Nebel.



Grand Canyon of the Yellowstone.



Lower Falls im Grand Canyon of the Yellowstone.



Roaring Mountain.



Trockene Sinterterrassen, Mammoth Hot Springs.



Rafting auf dem Main Flathead River.



Grizzlybär passiert den Weg.



Zwei kämpfende Grizzlys im Wald.



Impression aus dem Glacier NP.

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Am Gipfel des Logan Passes.



Wie heißt wohl der Berg im Hintergrund?