USA & Kanada: Der Nordosten 

6. Teil: 12.09.04 bis 13.09.04
Niagara Falls - Williamsport

 

Niagara Falls
Von allen Attraktionen auf dieser Reise waren die Niagara-Fälle vielleicht diejenige, auf die ich am Neugierigsten war. Jedes Kind kennt sie, und für Naturwunder habe ich eine besondere Schwäche, mehr noch als für Baukünste. Natürlich steht und fällt ein solches Erlebnis immer mit dem Wetter, und wie an keinem anderen Ziel unserer Reise hatte ich mir für Niagara Falls Sonnenschein gewünscht. Ich empfinde daher eine gewisse Dankbarkeit dafür, dass wir dort den vielleicht schönsten Tag der ganzen Reise erwischten.

Niagara Falls ist zum einen die englische Bezeichnung der Niagarafälle, klar, zum anderen aber auch der Name zweier Städte, nämlich der amerikanischen Stadt auf der einen und der kanadischen Stadt auf der anderen Seite der Fälle. Beide haben bis auf den Namen wenig gemeinsam, denn während die kanadische Stadt relativ schön zurecht gemacht ist und eine gewisse Infrastruktur mit guten Hotels und aufgeräumten Straßen aufweist, hat uns die amerikanische Seite eher an die Bronx erinnert als an einen Touristenort. Aber dort mussten wir uns gottlob auch nicht lange aufhalten, denn da wir ja von Kanada aus anreisten, hatte der Reiseveranstalter schlauerweise ein Hotel auf der kanadischen Seite vorgebucht. Glück gehabt.

Wir waren relativ früh in Toronto losgefahren und trafen so schon gegen 10 Uhr morgens in Niagara Falls ein. Natürlich war um diese Zeit unser Hotelzimmer noch nicht fertig, und so machten wir uns sofort auf zu den Fällen. Als erstes hört man sie, denn das Wasser macht doch ganz schön Lärm.  Sodann fühlt man sie, denn die Luft ist plötzlich voll von kleinsten Wassertröpfchen, die einen schon nach kurzem Aufenthalt ganz schön durchnässen können, wenn man sich gegen den Wind stellt. Und dann endlich sieht man sie auch. Genau genommen gibt es zwei Niagara-Fälle, einen auf der amerikanischen und einen auf der kanadischen Seite. Die kanadischen Fälle tragen auch den Namen "Horseshoe-Falls" (Bild rechts), also "Hufeisen-Fälle", weil sie wie ein U (oder ein Hufeisen) geformt sind. Sie sind mehr als doppelt so breit wie die amerikanischen Fälle (675m zu 328 m) und deshalb auch deutlich imposanter. Überhaupt kann man sagen, dass die Fälle ihren Ruf als wohl weltbekanntester Wasserfall überhaupt nicht aus ihrer Höhe gewinnen - diese beträgt nur knapp über 50 Meter - sondern wegen der Wassermassen, die hier über die Klippen gehen. Die örtlichen Kraftwerke filtern allerdings seit der 50er Jahren ca. 3/4 des Wassers ab, bevor es die Fälle überhaupt erreicht. Wie muss der Anblick erst gewirkt haben, als noch über 7.000 Kubikmeter statt der jetzt 2.800 Kubikmeter pro Sekunde in das Auffangbecken hinabstürzten! Aber gut, es ist noch immer genug, um die Fälle zu einem Erlebnis zu machen.
 
Attraktionen vor Ort
Natürlich wird der Tourist nicht nur mit dem Betrachten der Fälle abgespeist, denn daran kann man ja nichts verdienen. Vielmehr gibt es um die Fälle herum eine Vielzahl von Attraktionen. Wir haben uns zunächst für die "Journey behind the Falls" entschieden, die den Besucher gegen eine geringe Gebühr in einen Stollen führt, der unmittelbar hinter den kanadischen Fällen endet. Eine sehr feuchte Angelegenheit, allerdings hat man mit einigem Geschick die Chance, die Fälle einmal von unten bzw. von der Seite zu sehen und zu fotografieren, wenn man denn das Kunststück fertig bringt, die Kamera trocken zu halten. Direkt hinter den Fällen rauscht allerdings nur eine weiße Wand aus Wasser vor einem herunter. Besser sehen kann man in einem Seitenstollen, der unmittelbar neben den Fällen endet. Wieder oben angekommen, kann man sich im Visitor Center stärken und ein Museum besuchen, dass über die Fälle und das Drumherum informiert. Besonders spannend finde ich die Geschichten der Irren, die mit Fässern und dgl. versuchen, sich die Fälle herunter zu stürzen. Warum macht man so etwas?  Dass dergleichen seit Generationen streng verboten ist, hat offenbar noch keinen Verrückten abgehalten. 1886 versuchte es der erste in einer Tonne (überlebt), 1995 der bisher letzte, der mit einem Jetski über die Kante jagte (tot).

Wenn man sich den Fällen unbedingt von der Wasserseite aus nähern will, dann sollte man dies nicht von oben, sondern von unter aus in Angriff nehmen. Unter der Bezeichnung "Maid of the Mist" (kleines Bild links, vor den amerikanischen Fällen) fahren nämlich im Viertelstundentakt insgesamt 4 Schiffe, zwei von der amerikanischen und zwei von der kanadischen Seite aus, an den amerikanischen Fällen vorbei und bis auf wenige Meter an die kanadischen Fälle heran. Die Bootsgäste bekommen alle einen blauen Poncho übergestreift, aber trotzdem übersteht man diesen Trip nicht, ohne völlig durchnässt zu werden, jedenfalls dann nicht, wenn man (wie wir) unbedingt an der Bugspitze des Schiffes stehen muss, um die beste Sicht zu haben. Ein tolles Erlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Selten hat es mir so viel Spaß gemacht, in voller Montur pitschnass zu werden. Erstaunlicherweise sind mir vom Schiff aus einige sehr gute Fotos gelungen, obwohl ich dachte, die allgegenwärtige Gischt hätte dies vereitelt. Es kommt also auf einen Versuch an.

Im Reiseführer hatten wir übrigens gelesen, dass man sich für die Bootstour z.T. über 2 Stunden anstellen muss, dass aber die Schiffe auf der amerikanischen Seite deutlich weniger ausgelastet seien. Wir beschlossen daher, auf die US-Seite herüberzugehen, was über die Rainbow-Bridge bequem möglich ist. Selbige bildet also den Grenzübergang, und man darf seine Reisepässe nicht vergessen. Die Kontrollen halten sich aber in Grenzen, denn die Zöllner haben einen sicheren Blick dafür, wer harmloser Touri ist und wer nicht. Von der Rainbow Bridge aus hat man auch die beste Gelegenheit, einmal beide Fälle auf einen Blick zu sehen und zu fotografieren. Die US-Seite hat noch den weiteren Vorteil, dass es dort einen Aussichtsturm gibt, der im Preis für die Bootstour enthalten ist und ebenfalls einen schönen Ausblick bietet, besonders natürlich auf die amerikanischen Fälle, von denen er nur wenige Meter entfernt ist. Warten mussten wir übrigens nirgends, wenngleich man deutlich sehen konnte, dass die Attraktionen noch für ganz andere Kapazitäten ausgelegt waren. Die amerikanischen Ferien waren gerade zu ende, und das hat sicher sehr geholfen. Deswegen haben wir auch die Kommerzialisierung der Fälle, welche die Reiseführer übereinstimmend anprangerten, nicht so negativ empfunden.

Am späten Abend kehrten wir noch einmal an die Fälle zurück, weil sie in der Dunkelheit in wechselnden Farben angestrahlt werden. Ein schöner Anblick, der den nochmaligen Fußmarsch vom Hotel durchaus wert war, wenngleich wir ein Hotelzimmer hatten, das einen wunderschönen Ausblick über die Fälle bot! Es ist natürlich genial, gemütlich auf dem Zimmer zu sitzen und den Blick über die Niagara-Fälle schweifen zu lassen, während im Hintergrund die Sonne untergeht. Ein bisschen Romantik ist also durchaus dabei. Die hervorragende Aussicht vom Hotel aus war übrigens auch der Grund, warum wir weder den Minolta-Tower noch den Skylon-Tower (kleines Bild rechts) bestiegen haben, die ansonsten mit dem besten Ausblick auf die Fälle werben.

Fahrt nach Williamsport 
Am nächsten Tag wollten wir eigentlich noch ein kleines Stück den Niagara River entlang fahren, um zum sogen. "Whirlpool" zu gelangen, den flussaufwärts gelegenen Stromschnellen. Es war jedoch über Nacht so nebelig geworden, dass man kaum die Hand vor Augen sehen konnte, und der Nebel hielt sich hartnäckig. Wir hatten durchaus Mitleid mit der japanischen Reisegruppe, die bei unserer Abfahrt gerade ankam und nun nach einigen tausend Kilometern Anreise die Fälle nicht einmal sehen konnte, weil es in der Tat so neblig war, dass diese schlich und einfach im Dunst verschwunden waren. Wir hatten also Riesenglück, das wir nicht auch einen Tag später angekommen sind. So motivierte uns das Wetter, schleunigst zum zweiten und letzten Mal über die Rainbow Bridge in die USA überzusetzen und zu unserer nächsten Station nach Williamsport zu reisen. 

Die Strecke von gut 450 km, die längste Distanz der ganzen Rundreise, bewältigten wir ohne große Verzögerungen. Mit einer Ausnahme. Ich fahre in den USA immer ca. 10 Meilen schneller als erlaubt, weil man einfach verrückt wird, wenn man auf einer vierspurigen, mehr oder minder unbefahrenen Straße in der Wildnis mit 55 Meilen (90 km/h) dahin schleichen muss. Maximal sind mal 65 erlaubt. Eine solche Fahrweise geht solange gut, wie man im Verkehr mitschwimmt, denn die Amerikaner machen es genauso, und nach meinem Eindruck werden aus dem fließenden Verkehr nur die wirklichen Raser heraus gewunken, die mit waghalsigen Spurwechseln durch die Gegend heizen. Nur hatten wir ungefähr zwischen Dansville und Bath das Pech, dass es keinen Verkehr zum Mitfließen gab, und prompt stand hinter einem Hügel versteckt ein State Trooper (genau wie im Bild links, Quelle: Internet), der sich hinter uns - dem einzigen Auto weit und breit - in Bewegung setzte und sein Blaulicht anschaltete. Er überholte jedoch nicht, hatte auch die Sirene nicht an und es blinkte auch kein "Bitte Folgen"-Schild o.ä. auf. Was also tun? Ich habe sicherheitshalber sofort angehalten, und das war genau richtig. Aus dem Reiseführer wusste ich dann: Fenster 'runter und beide Hände auf das Lenkrad! Auch das war genau richtig. Der Polizist war überraschend freundlich, wollte nur kurz meinen Führerschein sehen, entnahm diesem dass ich Deutscher bin, wies mich darauf hin, dass ich zuhause zwar ohne Geschwindigkeitsbeschränkung fahren könne (davon hatte er also gehört), hier aber in den USA sei, und wenn da "65 mph" stehe, dürfe ich nicht einfach 81 mph fahren! Offenbar hatte er also meine Geschwindigkeit gemessen, und offenbar war ich nicht 10, sondern 16 Meilen zu schnell. Das sind in etwa 25 km/h, also kein Pappenstil. Ich dachte sofort: "Wenn das hier mit 100 Dollar abgeht, bist Du zufrieden", denn man befürchtet in einer derartigen Situation natürlich sofort das Schlimmste: Fleppe weg, Gerichtsverhandlung, am besten noch Knast und Kaution am nächsten Tag. Aber - nichts dergleichen. "Slow down, eh!" sagte er, gab mir den Führerschein zurück und fuhr wieder in sein Versteck hinter dem Hügel. Mehr Glück als Verstand! Der Schreck saß mir danach noch so in den Knochen, dass ich ein gutes Stück lang tatsächlich maximal 60 gefahren bin, und das war wieder Glück, denn keine drei Meilen weiter stand der nächste State Trooper, und ich gehe jede Wette ein, dass der von seinem Kollegen verständigt worden ist, doch mal besonders auf einen gelben Mustang zu achten, der soeben seine zweite Chance bekommen hat.

Williamsport
In Williamsport angekommen stellten wir schnell fest, warum der Ort in unserem Reiseführer nicht erwähnt wurde - es gibt dort nichts zu sehen! Da das Wetter aber zwischenzeitlich wieder von Nebel auf Sonnenschein umgeschlagen war, beschlossen wir, uns noch einmal ein Kanu zu mieten. Tatsächlich gab es auch eine Kanu-Vermietung und einen Fluss, aber leider nicht beides zusammen! Meine Frage, ob ich ein Kanu mieten könne, wurde mit der Gegenfrage beantwortet, welches Auto ich fahre. Es stellte sich heraus, dass wir das Kanu erst noch per Dachgepäckträger oder Anhänger zum Fluss hätten transportieren müssen - und das ist bei einem Cabrio ganz, ganz schlecht. Typisch amerikanisch war dann die fast schon aufdringliche Hilfsbereitschaft der Dame vor Ort, die sich nicht scheute, noch eine andere Kanu-Vermietung anzurufen, die zwar einige Meilen entfernt, dafür aber am Fluss lag. Von dort aus kam jedoch die klare Ansage, dass der Fluss 6 Fuß Hochwasser habe und daher heute keine Kanus ausgegeben würden. Dann eben nicht. 


Fotos: 




Die "Horseshoe"-Falls vom Hotelzimmer aus. Vorne das Visitor-Center.

 

Die amerikanischen Fälle vom Aussichtsturm aus.



Eine "Maid of the Mist" mit Touristen in blauen Regenmänteln.

Noch ein Blick auf die kanadischen Fälle.



Die amerikanischen (links) und die kanadischen Fälle 
von der Rainbow-Bridge aus.



Die amerikanischen Fälle bei Nacht.