USA & Kanada: Der Nordosten 
 
5. Teil: 10.09.04 bis 11.09.04
Ottawa - 1000 Islands Parkway - Toronto

 

Ottawa
Die frühe Abreise in Montreal hatte den entscheidenden Vorteil, dass uns noch jede Menge Zeit in Ottawa blieb. Die Hauptstadt Kanadas hatte ich genau wie Quebéc im Vorfeld nur als Durchgangsstation angesehen, und genau wie in Quebéc hatte ich Unrecht. Ottawa war die schönste kanadische Stadt auf unserer Reise. Den Status als Hauptstadt Kanadas hat man übrigens der Legende zufolge einer Laune des Schicksals zu verdanken: Queen Victoria soll zur endgültigen Festlegung des Regierungssitzes einfach ihren Finger auf die Landkarte fallen gelassen haben, und zum Entsetzen aller traf sie genau das bisher unbedeutende Provinznest Ottawa. In Wahrheit war diese Entscheidung natürlich alles andere als Zufall, denn Ottawa befindet sich genau auf der Grenze zwischen dem französisch und dem englisch geprägten Kanada, und historisch gesehen bot es eine sichere Distanz zu den aufmüpfigen Amerikanern im Nordosten. Tatsächlich kommt man sich vor, als habe man gerade den Ärmelkanal überquert, denn im Gegensatz zu Montreal und Quebéc wurden wir im Hotel wieder mit "Welcome" statt "Bonjour" begrüßt. Die englische Prägung Ottawas kann auch sehen, z.B. am Denkmal für Queen Elisabeth II., die vor dem wunderschönen Sitz der Zentralregierung (das kleine Bild links zeigt lediglich ein Nebengebäude) auf einem Pferd thront. Sogar einen Wachwechsel wie am Buckingham Palace gibt es, mit knallroten Uniformen, Bärenfellmützen und allem drum und dran. Die notwendige Kulisse dafür bildet das Schloss auf dem "Parliament Hill", der gleichzeitig einen wunderschönen Ausblick auf die Stadt und den Ottawa River bietet. 

In vielerlei Hinsicht erinnert Ottawa an Münster: Eine Verwaltungs- und Dienstleistungsstadt mittlerer Größe, am Kanal gelegen und mit einem Schloss in der Mitte. Apropos Kanal: Der Rideau Canal machte die Erschließung Ottawas und seine Versorgung mit der nötigen Infrastruktur erst möglich, weil er die Stadt an den 200 km entfernten St. Lorenz Strom anband. Über 1000 Arbeiter ließen dafür ihr Leben, die meisten von ihnen starben an Malaria. Über eine 1832 in Betrieb genommene Schleuse, die nicht weniger als 8 Staukammern hat und nach wie vor von Hand betrieben wird, ist der Kanal mit dem Ottawa River verbunden. Mittlerweile hat der Kanal seine Bedeutung als Versorgungsweg allerdings vollständig eingebüßt, zumal er im Winter monatelang zugefroren ist, und es werden nur noch kleinere Boote durchgeschleust. An der Schleuse, die wie alle anderen Attraktionen Ottawas bequem zu Fuß zu erreichen ist, gibt es ein Museum, das über den Bau des Kanals informiert.

Erbaut wurde der Kanal übrigens zwischen 1826 und 1832 unter der Leitung von John By, den in Ottawa jedes Kind kennt (die Stadt hieß früher sogar Bytown). Eben jenes John By wird auf einem Denkmal am Nepean Point gedacht, den man unbedingt besuchen sollte, denn von dort aus kann man praktisch ganz Ottawa, jedenfalls aber alle Sehenswürdigkeiten überblicken. Die Aussicht auf das Schlossplateau ist herrlich, und direkt neben dem Nepean Point liegt die den Ottawa River kreuzende Alexandra Bridge, eine sehr interessante Konstruktion. Unser Rückweg führte zunächst zur National Gallery of Canada (kleines Bild oben rechts), die sich ebenfalls sehen lassen kann und mit ihrer modernen Glasfassade einen schönen Kontrast zu den vielen historischen Bauwerken der Stadt bildet. Zur letzteren Kategorie gehört auch die Baselique Notre Dame. Ja, nicht nur Paris und Montreal verfügen über eine solche. Die Ottawa-Version glänzt durch zwei silberne Spitzen auf den Doppeltürmen, die in der Mittagssonne herrlich blitzten. Das Interieur (Bild links) lohnt den Eintritt, wenngleich es mit der Baselique Notre Dame in Montreal nicht mithalten kann, aber das kann - wie gesagt - nicht der Maßstab sein. Ottawa hat mit Sicherheit noch viel mehr zu bieten und hätte einen längeren Besuch gelohnt.

1000 Islands Parkway
Von Ottawa nach Toronto führt der "1000 Islands Parkway", den man unbedingt der Autobahn vorziehen sollte. Entlang des ca. 40 km langen Weges hat man einen phantastischen Ausblick auf zahllose kleine Inseln, die sich in unmittelbarer Küstennähe aneinander reihen und in eine Landschaft aus Wasser und Wald eingebettet sind. Die bekannteste von ihnen ist "Heart Island", deren (wahre) Geschichte sich wie ein Märchen liest: Ein deutscher Tellerwäscher namens Boldt brachte es um 1900 in New York bis zum Eigentümer des Waldorf Astoria Hotels, kaufte von seinen Millionen für seine geliebte Frau eine Insel und ließ auf ihr ein Märchenschloss ("Boldt Castle") mit 120 Zimmern errichten. Noch vor Fertigstellung des Schlosses starb seine Frau jedoch plötzlich, und aus Gram stoppte er den fast fertigen Bau und betrat Heart Island nie wieder. Die Insel ist vom 1000 Islands Parkway aus zu sehen und kann per Bootstour besucht werden, für die uns jedoch die Zeit fehlte. statt dessen entschlossen wir uns, auf den Skydeck-Tower zu steigen, zu dem die "1000 Islands Bridge" führt, eine Attraktion für sich. Die Aussicht auf dem Tower, den wir in aller Früh noch für uns allein hatten, ist landschaftlich einfach überwältigend und sei jedem wärmstens empfohlen. 

Toronto
In unmittelbarer Nähe des Towers liegt schon wieder die amerikanische Grenze. Wir bogen vor der Rückkehr in die USA aber noch nach Toronto ab, der letzten Station auf unserer Kanada-Tour. Toronto ist eine Großstadt im amerikanischen Stil, mit Hochhäusern, Beton und 5 Millionen Einwohnern. Sie liegt direkt am Lake Ontario, einem riesigen Binnensee, der einem Meer gleichkommt, weil man das andere Ufer nicht mehr sehen kann. Ein Muss jedes Toronto-Besuchs ist der CN-Tower, das mit 553 m höchste Gebäude der Welt. Zur Perspektive: Das ist doppelt so hoch wie der Eiffelturm! Für die Tickets zur Besichtigung des Turms muss man endlos anstehen, aber wenn man endlich durchgekommen ist, wird man mit einem superschnellen Aufzug bis zur Aussichtsplattform auf 346 m Höhe hochkatapultiert. Dieser gläserne Aufzug führt außen am Turm hoch, ist also nichts für Leute mit Höhenangst (wie mich). Hier überkam mich auch zum ersten und einzigen Mal der Gedanke, dass ich mich ausgerechnet am Jahrestag von 9/11 in einem Hochhaus aufhalte, das noch dazu so exponiert ist. Aber derartige Ängste sind natürlich Unsinn, sonst kann man sich gleich für den Rest des Lebens in einen Bunker einschließen. Oben angekommen kann man die Aussicht auf Toronto genießen, die sehr an New York erinnert, wenngleich sie einen Tick weniger spektakulär ist. Der Fotograf findet übrigens allerlei Hindernisse vor. Man kann zwar ins Freie treten, aber dann versperrt ein feinmaschiges Gitter der Linse das Motiv, und wenn man mit dem ein Stockwerk tiefer gelegenen Aussichtsplateau vorlieb nimmt, muss man durch spiegelndes Glas fotografieren. Wo wir gerade bei Glas sind: Der Reiseführer ließ verlautbaren, die Plattform verfüge über einen Glasboden, durch den man direkt in die Tiefe blicken könne. Tatsächlich handelt es sich jedoch nur um eine Scheibe von vielleicht 20 qm Größe, auf der so viele Touristen standen bzw. saßen, dass man keine Ruhe hatte, selbst einmal zu gucken. Nach unten fotografieren kann man durch die Scheibe auch nicht, weil sie ebenfalls spiegelt und so dick ist, dass die Kamera durch sie kaum etwas einfängt. Insofern eine Enttäuschung.

Im oberen Teil der Aussichtsplattform gibt es ein Restaurant, für das wir bereits Tage vorher Plätze reserviert hatten. Leider öffnete das Lokal aber erst um 17 Uhr, und wir waren schon um 16 Uhr vor Ort. Da wir keine Lust hatten, über eine Stunde zu warten, und die Speisekarte sich auch sehr bescheiden las, nahmen wir mit dem weitaus weniger noblen, dafür aber durchgehend geöffneten Cafe vorlieb, der sich ein Stockwerk darunter befand. Dort konnte man immerhin auch einen leckeren Burger essen, am Fenster sitzen und die Aussicht auf den See und die Stadt genießen. 

Toronto ist eine Sportstadt. Die Hockey Hall of Fame befindet sich dort (kleines Foto), wobei "Hockey" natürlich Eishockey bedeutet und die NHL meint. Alle anderen amerikanischen Sportarten wie Football, Basketball und Baseball sind ebenfalls vertreten, nur lief leider ausgerechnet bei unserem Besuch kein einziges Spiel. Die Argonauts (Football) hatten tags zuvor gespielt, die Raptors (Basketball) und die Maple Leafs (Eishockey) noch keine Saison und die Blue Jays (Baseball) ein Auswärtsspiel. Dafür fand gerade das Halbfinale der Eishockey-WM zwischen Kanada und Tschechien statt, das komplett ausverkauft war. Auf Passivsport am Abend mussten wir also diesmal verzichten. Statt dessen legten wir einen mir endlos erscheinenden Fußmarsch vom CN-Tower zum angeblich größten Buchladen der Welt hin. Ich hatte mir - wie erwähnt - ja schon in New York vorgenommen, ein Buch mit Fotos von allen Baseball-Stadien zu erwerben, und tatsächlich gab es dort auch eines, allerdings war es mir zu teuer. Ich ließ es also stehen, doch damit war diese Episode noch nicht zu Ende, wie ich später erfahren sollte.


Fotos: 




Das Regierungsgebäude in Ottawa auf dem Parliament Hill.

 

Die Alexandra Bridge über den Ottawa River.



Die Schleuse am Ende des Rideau-Kanals. Hinten die Alexandra-Bridge,
an deren rechtem Ende Nepean Point mit dem By-Denkmal.



Basilique Notre Dame.



1000 Islands Bridge vom Skydeck Tower aus.



Einige der 1000 Islands, wieder vom Skydeck Tower aus.



Der CN-Tower in Toronto.



Blick vom CN-Tower auf Toronto.