USA & Kanada: Der Nordosten 
 
4. Teil: 08.09.04 bis 09.09.04
Quebec - Montreal

 

Kanada
Von Waterville aus ist es zwar noch ein gutes Stück bis Kanada, aber über die 201 und die 173 ging es flott voran. An der Grenze gab es überhaupt keine Probleme, wenngleich sich der Zöllner bestimmt 10 Minuten Zeit ließ, um unsere Ausweise zu begutachten und abzustempeln. Dass man in Kanada ist, merkt man zunächst daran, dass die Straßen zwar keine Maut mehr kosten, dafür aber schmaler (bestenfalls zweispurig) und schlechter in Schuss sind. Es gilt wieder das metrische System, was am Anfang gewöhnungsbedürftig ist, denn die Geschwindigkeitsbegrenzungen lauten jetzt wieder auf km/h, und wenn der eigene Tacho nur mph anzeigt, kommt man kurz ins Grübeln. Die Verkehrsregeln unterscheiden sich kaum, außer dass in Kanada an roten Ampeln nicht rechts abgebogen werden darf - eine in den USA nahezu überall zulässige und sehr angenehme Praxis, von der sich Deutschland eine Scheibe abschneiden könnte. Die Häuser am Straßenrand bestanden zunehmend wieder aus Mauerwerk, während sie in den USA außerhalb der Großstädte (und zum großen Teil auch in diesen) aus Holz oder Kunststoff zusammengezimmert sind. Wer einmal die amerikanische Art, Häuser zu bauen, mit eigenen Augen gesehen hat, den wundert nicht, dass ein Hurrikan dort ganze Städte abtragen kann, wo bei uns bestenfalls die Keller vollaufen und ein paar Dachpfannen herunterfallen.

Québec
Unsere erste Station hieß Québec, die Hauptstadt der gleichnamigen kanadischen Provinz. Letztere ist riesengroß (ca. 6x so groß wie Frankreich), mit 7,5 Millionen Einwohnern aber sehr dünn besiedelt. Ich hatte erwartet, dass wir einen Großteil der Strecke von der Grenze bis zur Stadt Québec durch menschenleeres Gebiet zurückzulegen hätten, aber dem war nicht so, denn alle paar Kilometer gab es irgendwo ein Sägewerk am Waldrand, und in deren Nähe wohnen die Arbeiter mit ihren Familien in kleinen Örtchen. Wirklich einsam wurde es also nirgends.

Von Québec selbst hatte ich mir im Vorfeld nicht allzu viel versprochen. Ich wusste zwar, dass die Stadt Sitz der Provinzregierung ist und das Stadtbild eher europäisch geprägt sein soll, hatte aber keine Ahnung, wie schön und gemütlich die Stadt wirklich ist. Als erstes fällt auf, dass man plötzlich auf französisch angesprochen wird. Zwar kommt man fast überall mit Englisch durch, aber die erste Sprache im Staat und in der Stadt Québec ist ganz eindeutig Französisch. Überhaupt kommt man sich vor wie in Frankreich, denn in den Läden gibt es Rotwein, Baguette und Käse, und überall locken Cafes und Restaurants. Touristen werden mit Pferdekutschen gemütlich durch die Stadt geschaukelt. Übrigens ist auch das TV-Programm in Sprache und Inhalt überwiegend französisch geprägt. US-Sender gibt es nur wenige, was für mich die unerfreuliche Konsequenz hatte, abends kein Baseball gucken zu können. Für Susanne unerfreulich war, dass die Geschäfte allesamt bereits um 17.30 Uhr schlossen (!), zu einer selbst in Deutschland undenkbar frühen Zeit also. Okay, beides kann man aber verschmerzen.

Die Altstadt
Québec ist die älteste Stadt des ganzen Kontinents. Sie wurde von Siedlern gegründet, die den St. Lorenz Strom hinaufkamen und sich irgendwann an seinen Ufern nieder ließen. Der Stadtkern ist von einer Stadtmauer umgeben, wie sie in Europa von jeder im Mittelalter einigermaßen bedeutsamen Stadt zum eigenen Schutz errichtet wurde. In Nordamerika bestand in Ermangelung eines Mittelalters aber keine derartige Notwendigkeit, sodass allein deswegen die Mauer selbst eine Besonderheit darstellt. Überhaupt ist man auf die Historie der Altstadt mächtig stolz, die 1985 von der UNO zum Weltkulturerbe erhoben wurde. Dieses Ereignis wird mit einem üppigen Monument inmitten der Altstadt gebührend gefeiert. Bevor wir diesem einen Besuch abstatteten, machten wir aber als erstes dem Parlament unsere Aufwartung, das in einem schlossartigen, angeblich dem Louvre nachempfundenen Gebäude untergebracht ist. Sehr schön. Anschließend ging es einen kleinen Anstieg hinauf zur Zitadelle, von der es leider wegen Umbauarbeiten so gut wie nichts zu sehen gab. Ein kleiner Fußpatt führt von dort aus aber direkt zur Terrasse Dufferin, dem schönsten Ort in ganz Québec. Von dieser ähnlich einer Strandpromenade in luftiger Höhe angelegten Terrasse aus hat man einen wunderschönen Blick auf den St. Lorenz Strom und das Hotel Chateau Frontenac (kleines Bild rechts), das vielleicht beeindruckendste Gebäude überhaupt. Es erinnert mit seinen Zinnen und Türmchen mehr an ein Landschloss als an ein Hotel. Das hervorragend konservierte historische Gebäude (1893) erlangte Berühmtheit durch die Konferenzen von Churchill und Roosevelt, die dort 1943 über die Invasion in der Normandie und 1945 über das weitere Schicksal Japans berieten. 

Straßenverkehr in Kanada 
Leider war unser Hotel in der Neustadt untergebracht, sodass wir nach dieser ausgiebigen Besichtigungstour noch einige Kilometer mit dem Auto durch den Feierabendverkehr fahren mussten. Ich kann nur sagen, dass die Kanadier noch schlechter fahren als die Amerikaner, wenn das noch möglich ist. Vorausschauendes Fahren geht ihnen völlig ab. Zwar war die Hauptverkehrsstraße zweispurig in jede Richtung ausgebaut, aber der Kanadier ist mit der einmal gewählten Spur verwachsen. Ist bspw. rechts ein Lkw mit Verladetätigkeiten beschäftigt, geht man nicht etwa links herüber und vorbei, nein, man bremst scharf ab (den Lkw bemerkt man erst im allerletzten Moment, auch wenn er drei Meilen vorher sichtbar war) und leitet so eine Kettenreaktion ein. Anschließend wartet man in aller Seelenruhe, bis auch das letzte UPS-Paket ausgeliefert ist, winkt noch drei Omas über die Straße, lässt einen Schulbus und eine Planierraupe vorziehen und setzt sich dann hinter diesen so langsam wieder in Bewegung, dass man die nächste Ampel auch garantiert bei rot erwischt. Und rechts ist noch die bessere Spur, denn links steht immer ein Linksabbieger, der nicht durch die endlose Kette von Fahrzeugen auf der Gegenseite kommt, weil er eine Lücke von mindestens 500m benötigt, bevor er sich anzufahren traut. Wir befanden uns im Urlaub, hatten eine völlig stressfreie Zeit und wirklich jede Menge Geduld und Muße, aber für diese maximal fünf Kilometer haben wir eine halbe Ewigkeit gebraucht.

Montreal
Den Höhepunkt in Sachen Verkehr lieferte aber Montreal. Schon auf dem Weg dorthin regnete es, glücklicherweise zum einzigen Mal in diesen zwei Wochen, dafür aber richtig. Die dadurch eingeschränkte Sicht macht die Orientierung in einer fremden Stadt nicht gerade einfacher, aber was man sich dort bei der Beschilderung gedacht hat, wird mir ewig ein Rätsel bleiben. Grundsätzlich gibt es überhaupt keine Schilder, und wenn, sind sie missverständlich. Es kann vorkommen, dass man ein Ziel drei Kreuzungen lang ausgeschildert bekommt, an der vierten hat man dann aber nur die Wahl zwischen zwei ganz anderen Orten oder Straßen, die zudem nirgends auf dem Stadtplan stehen. Dazu das oben beschriebene Chaos auf den Straßen mit stop and go. Nein, die Fahrt in die Innenstadt von Montreal war kein Vergnügen. Die einzig sinnvolle Verkehrseinrichtung sind Uhren unter den Fußgängerampeln, welche die noch verbleibende Zeit zum Überqueren der Straße in Sekunden anzeigen (links auf dem Foto unter dem Fußgänger gut zu erkennen). Dergleichen hatte ich zuvor noch nie gesehen.

Montreal ist die größte Stadt der Provinz Québec. Sie ist ebenso wie Québec City total französisch geprägt, was Sprache, Straßennamen usw. angeht. Allerdings hat sie deutlich weniger zu bieten. In jedem Reiseführer als große Attraktion angepriesen wird die "Stadt unter der Stadt". Wegen des harten Winters befindet sich nämlich die Haupteinkaufsmeile, das Eaton Center,  unter der Erde, und da es wie gesagt regnete, gingen wir zuerst shoppen. Einkaufen kann man dort in der Tat gut, aber hängen geblieben ist bei mir in erster Linie ein riesiger, auf dem Foto rechts völlig unzureichend eingefangener Footcourt mit Fressbuden jeglicher Cuisine, in dem sich tausende von Menschen tummelten. Wir trennten uns dort, weil unsere Interessen in puncto Shopping doch recht unterschiedlich sind, und erst nach einigen Stunden kehrten wir - ich um einige Computerspiele reicher - ins Hotel zurück.

Basilique Notre Dame
Das Beste an ganz Montreal ist die Basilique Notre Dame, zu deren Besichtigung wir uns am Spätnachmittag bei endlich trockenem Wetter noch aufrafften. Von außen (kleines Foto links) nicht besonders auffällig, birgt die Kirche in ihrem Inneren doch eine wunderschöne Innenarchitektur, die wirklich ihresgleichen sucht. Obwohl wir schon eine Vielzahl von ausgesprochen schönen Kirchen besichtigt haben und ich mit Superlativen sehr zurückhaltend bin, würde ich so weit gehen zu sagen, dass ich noch nie etwas schöneres von Menschenhand Geschaffenes gesehen habe als den Altarraum dieser Kirche. Fotos können den Glanz und die Harmonie nicht annähernd einfangen. Dieser Besuch entschädigte allein für das schlechte Wetter, aber auch das vielleicht leckerste Abendessen der Reise im vorzüglichen Hotelrestaurant stimmte versöhnlich.

Am nächsten Morgen fuhren wir noch zum Mont Royal heraus, dem größten, auf einem erloschenen Vulkan gelegenen Park Montreals, von dem aus man einen schönen Blick auf die Stadt haben sollte. Die Wanderwege im Park waren aber so schlecht beschildert, dass man sich nur schlecht zurecht findet. Auch der Stadtplan half bei den vielen verwinkelten Fußwegen nicht weiter, und so beschlossen wir, auf eine Wanderung zu verzichten und nur mit dem Auto zu einem Aussichtsplateau zu fahren. Da das Wetter immer noch diesig war, lohnte sich aber auch das nicht wirklich, wenngleich man durchaus die Stadt überblicken kann. Aus der Skyline ragt das Olympia-Zentrum von 1976 mit seinem großen, zum Zeitpunkt der Spiele übrigens erst halb fertig gewordenen Turm heraus, der heute als Aussichtsplattform dient. Wenn man nicht gerade botanisch interessiert ist, lohnt eine Besichtigung aber nicht, denn bis auf (laut Reiseführer allerdings sehr schöne) botanische Gärten, ein Insekten-Museum und den "Biodome" im ehemaligen Radrennstadion gibt es dort nichts zu sehen. Also machten wir uns umgehend aus dem Staub, um möglichst schnell nach Ottawa zu kommen. 


Fotos: 




Der Sitz der Provinzregierung in Québec.



Das Chateau Frontenac von der Terrasse Dufferin aus.
 
 

Québec feiert seine Altstadt als UNO-Weltkulturerbe. 



Der unvergleichliche Altarraum der Basilika.



Blick auf Montreal an einem schönen Tag (Quelle: Postkarte).



 Blick auf das Olympia-Zentrum an einem weniger schönen Tag.