London / Portsmouth 2004

Ostersamstag

Gute Märkte - schlechte Märkte
Morgens wollten wir unbedingt einige der bekannten Wochenend-Märkte in Notting Hill besuchen, auf denen man allerlei Krimskrams und Kleinkunst angeboten bekommt. Der vielleicht Bekannteste ist der Portobello Road Market, der dann auch hielt, was er versprach. Durch eine recht schmale Straße, die von beiden Seiten mit Geschäften und Ständen beschickt ist, schlängeln sich vielleicht 10% Einheimische und 90% Touristen an Warenangeboten aller Art vorbei. Der Markt ist riesengroß, laut Reiseführer besteht er aus 2000 Ständen, einer Zahl, die ich allerdings doch nicht ganz glauben kann. Die Hälfte davon mag stimmen, aber das ist ja auch noch eine ganze Menge. Vom frisch gebackenen Brot bis zum Beckham-Trikot gab es hier alles, vor allem Modeschmuck und Second-Hand-Klamotten, übrigens zu nicht unfairen Preisen. 

Da wir noch einen anderen Markt sehen wollten, auf dem sich mehr Londoner und weniger Japaner herumtreiben, fuhren wir noch per Underground zum Camden Lock Market, auf dem ähnliche Waren feil geboten werden sollten, der aber vor allem durch viele Straßenkünstler sein besonderes Flair haben sollte. So der Reiseführer. Tatsächlich waren die "Straßenkünstler" allesamt Punks, Glatzköpfe oder Obdachlose, die teilweise still, teilweise aber auch lauthals versuchten, von den Passanten Almosen zu erbetteln. Darüber hinaus gab es jede Menge anderer Randerscheinungen, die mit selbstgebastelten Schildern auf irgendwelche Etablissements aufmerksam machten, die abseits vom Wegesrand Unterhaltung, Schnäppchen oder was weiß ich versprachen. Diese Atmosphäre mag Gleichgesinnten gefallen, aber für uns war das nichts. Nach vielleicht 10 Minuten machten wir uns wieder aus dem Staub und waren froh, unser Hab und Gut noch bei uns zu haben, als wir endlich die U-Bahn erreichten. 

Ägypten in London
Am Nachmittag sind wir zum Britischen Museum gefahren, weil ich gehört hatte, dass es dort eine ägyptische Abteilung gibt, die in Europa ihresgleichen sucht. "Gefahren" ist allerdings zuviel gesagt, denn von der nächstgelegenen U-Bahn-Station ist noch ein gutes Stück Fußweg zurückzulegen. Der Marsch lohnt sich aber auf jeden Fall, denn tatsächlich birgt das Museum atemberaubende Exponate wie goldene Sarkophage, Wandmalereien und hervorragend erhaltene Statuen. Mich hat nur ein wenig gestört, dass man diese überhaupt aus ihrer Heimat entfernt und nach Europa gebracht hat. Man hatte Anfang des 20. Jahrhunderts, zur Zeit der größten Entdeckungen, offenbar keine Skrupel, ganze Wände mit Hieroglyphen aus den viele tausend Jahre alten Gebäuden herauszuschlagen. Das wertvollste aller Exponate aber ist vielleicht der kleine, unscheinbare Stein von Rosetta. Der aus dem Jahr 196 v.Chr. stammende Stein wurde 1799 von Napoleon (genauer gesagt von dessen Offizier Pierre François Xavier Bouchard) bei Rosetta im Niltal gefunden und enthält ein Dekret des Rates der ägyptischen Priester. Das besondere daran ist, dass dessen Text in drei verschiedenen Schriften in den Stein gehauen wurde, in Hieroglyphen, demotisch und griechisch. Der leicht lesbare griechische Text endet mit der Anweisung, das Dekret in drei Schriften einzumeißeln. Daher mussten die drei Texte identisch sein. Jean-François Champollion gelang 1822 anhand des Steins die Entzifferung der demotischen Schrift und anschließend auch der Hieroglyphen, auf die sich bis dahin niemand einen Reim machen konnte.

Das Britische Museum birgt noch eine Reihe weiterer Schätze, vor allem aus römischer Zeit. Gewaltig ist auch seine Bibliothek, die angeblich C.S. Forester gerne benutzt hat, um für seine frühen Hornblower-Romane zu recherchieren. Allerdings befand sich diese zu Foresters Zeiten noch in einem anderen Gebäude. Mittlerweile hat man den ganzen Bereich komplett renoviert, und die bei dem Umbau entstandene Innenarchitektur ist ein Kunstwerk für sich. Hervorragend sind übrigens auch die Hotdogs der privaten Anbieter vor dem Museum, die uns - völlig ausgehungert nach der langen Besichtigung - über den Heimweg gerettet haben.

Abends stand dann noch ein besonderer Leckerbissen auf dem Programm: "Harry und Sally" - neben "Des Königs Admiral" mein absoluter Lieblingsfilm - als Theaterstück im Royal Haymarket, einem der ältesten Theater Londons. Allison Hannigan, bekannt aus "Buffy" und den "American Pie"-Filmen als Sally und Luke Perry, bekannt aus "Beverly Hills, 90210" als Harry. Für beide war es die erste Bühnenerfahrung, und mittlerweile wurden beide auch ersetzt, durch Molly Ringwald aus "Pretty in Pink" und Michael Landes, dem Jimmy Olson aus "Lois & Clark"! Aber gut, das Stück war ganz nett umgesetzt und hielt sich fast wörtlich an die Filmvorlage, die englische natürlich. Die Szene im Flugzeug spielte hier im Fitness-Studio, und statt der gemeinsamen Fahrt nach New York renovierte man gemeinsam Sallys Appartement. In einer Kritik habe ich gelesen: "Two hours are a damn long time to wait for a fake orgasm". Das wird verstehen wer den Film kennt, und das lasse ich so stehen. Warnen kann ich übrigens nur vor dem Balkon-Rang im Royal Haymarket: Man hat es geschafft, auf die Balustrade noch einen Handlauf zu setzen, der einem genau den Blick auf die Bühne versperrt. Die erste Hälfte des Stücks hatte ich daher immer einen Balken im Bild, erst nach der Pause wurde es besser, weil wir uns auf zwei freie Plätze weiter unten stahlen.


Bilder:



 
Portobello Road Market.
 



Der Stein von Rosetta.