"Wenn man in Lissabon ist und nur Zeit für einen Ausflug hat, sollte man Sintra besuchen", schrieb der Reiseführer. Gesagt - getan, zumal Sintra ohnehin auf unserer Route nach Obidos lag. Allerdings war die Anreise recht beschwerlich, denn wir waren zur morgendlichen Rush Hour unterwegs, und das ist weder in Lissabon noch in Sintra wirklich lustig (wobei wir noch Glück im Unglück hatten, dass wir aus Lissabon heraus fuhren, in die Stadt hinein ging kilometerlang gar nichts mehr). Endlich in Sintra angekommen, besichtigten wir zunächst den  Palácio Nacional, die erste Sehenswürdigkeit. Über die Schönheit der zwei markanten Schornsteine, die sein Erscheinungsbild prägen, kann man trefflich streiten.
 

Von innen sieht der Palácio Nacional aus wie zahllose andere Paläste: Große, repräsentative Räume mit vielen Antiquitäten und Gemälden (Bilder unten von links nach rechts: Schwanensaal, Kapelle, Kaminzimmer). Irgendwelche Besonderheiten, die man unbedingt gesehen haben müsste, konnten wir nicht ausmachen. Wenn man nicht absoluter Palastfan ist, kann man sich den relativ teueren Eintritt daher auch sparen.
 

Aber dann: Auf einem Hügel am Stadtrand von Sintra liegt der Palácio Nacional da Pena, eine echte Märchenburg, die man einfach gesehen haben muss. Es handelt sich um den letzten Palastbau Portugals, errichtet um 1840 unter Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg-Gotha, dem Ehemann von Königin Dona Maria II. Baron Ludwig von Eschwege durfte sich als Architekt hier richtig austoben, und von seiner Narrenfreiheit hat er reichlich Gebrauch gemacht. Jeder Stilkritiker wird angesichts des Resultats die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, aber gerade wegen seiner chaotischen Optik ist der Palácio Nacional da Pena etwas Einmaliges.
 

Sehr zu empfehlen ist der "Wall Walk", ein Rundgang auf einem ca. 50 cm breiten Sims an der Festungsmauer entlang (nichts für Schwindelanfällige). Es bietet sich eine herrliche Aussicht auf die bewaldete Umgebung (Bild ganz unten: Blick auf das Castelo dos Mouros) und den Palácio selbst. Eine Katastrophe ist hingegen ist die Cafeteria, die mitten im Schlossambiente, wo man eine gehobene oder doch zumindest vernünftige Gastronomie erwartet hätte, nur Cappuccino aus dem Automaten im Pappbecher anbietet. Auch den Andenkenladen könnte man mal überarbeiten, manche Menschen würden gerne etwas anderes kaufen als nur Seife, Porzellan oder Kork.
 

 


Die Strecke von Sintra nach Obidos, dem nördlichsten Punkt unserer Rundreise, war weitaus weniger schön als erhofft und kein Vergleich zum Rest der Tour. Obschon auf der Straßenkarte grün unterlegt, gab es insbesondere auf dem Küstenstück um Ericeira nichts zu sehen, dafür jede Menge Verkehr und rote Ampeln. Ericeira selbst hatte die Polizei an jenem Tag komplett abgeriegelt, warum wissen wir nicht. Jedenfalls waren wir am Ende froh, in Obidos angekommen zu sein.
 

Obidos wurde im Reiseführer als besonders schönes altes Städtchen geschildert, und bis zu einem gewissen Grad stimmt das auch. Jedenfalls kann es als Prachtexemplar für südportugiesische Architektur mit dem ihr eigenen Flair gelten: Weiße Häuser und hellrote Dächer wohin man schaut, dazu eine Burg in der Ortsmitte.
 

Auf der Burgmauer kann man einen fünfundvierzigminütigen Rundgang um den Ortskern unternehmen, wenn man will. Im Hochsommer finden unter der Burg Ritterspiele statt, sicher eine Schau vor der Kulisse. Mitten in der touristisch geprägten Fußgängerzone stießen wir übrigens völlig unverhofft auf ein echtes Juwel: Eine Crêperie, deren Schokosaucen-Vanille-Crêpe einfach überirdisch schmeckte und - bestehend aus zwei Crêpes mit Schokosauce und einer großen Kugel Vanilleeis - gerade einmal 3 Euro kostete. Sehr zu empfehlen.
 

Die Fahrt von Obidos nach Évora hatte schon ein bisschen was von Heimreise, denn es ging doch mit großen Schritten wieder Richtung Süden und damit Richtung Flughafen Faro. Vor dem Rückflug hatten wir aber noch einen ganzen Tag Zeit für die Besichtigung von Évora. Nicht, dass man unbedingt so lange benötigt, um das Wesentliche zu sehen, aber man kann auch nicht sagen, dass es in Évora nichts zu erkunden gäbe. Direkt neben unserem Pousada lag beispielsweise der Rest eines römischen Diana-Tempels aus dem 2. Jahrhundert (Bild unten links), umgeben von einem hübschen Park (Bild unten rechts). Laut Reiseführer soll es sich bei dem Diana-Tempel um die am besten erhaltene römische Bausubstanz auf der iberischen Halbinsel handeln. Ich will es einmal so sagen: Wenn dem so ist, dann haben die Römer dort entweder nicht viel gebaut, oder es ist eine Menge kaputt gegangen!
 

Ein Muss für jeden Touristen ist ferner die Besichtigung der Kathedrale, deren Dach man besteigen kann, ähnlich wie das der Kathedrale in Mailand. Zwar sind Anblick und Ausblick in Évora nicht ganz so spektakulär wie in Mailand, aber sie haben durchaus ihren eigenen Reiz.
 


 

Während unserer Anwesenheit war in Évora übrigens eine Tanzlustbarkeit im Gange, anlässlich derer Rentnergruppen aus den Regionen der Umgebung auf dem Marktplatz unter großem Hallo Gruppentänze vorführten. Ganz witzig, das bunte Treiben von einem Logenplatz im Cafe aus zu beobachten.
 

Am Abend hatte ich dann noch Gelegenheit, auf einem flimmernden 30cm-Hotelfernseher die 0:2-Niederlage des FC Bayern München im Finale der Champions League gegen Inter Mailand zu bewundern. Großer Sport!
 

Nach der Übernachtung in Évora standen nur noch die Rückfahrt und der Rückflug an. Auf der ca. 200 km langen Strecke von Évora nach Faro, in die wir zum Mittagessen einen kleinen Abstecher nach Tavira einbauten, zeigte sich die Algarve noch einmal von ihrer wunderschönen, grünen Seite. Pünktlich zu unserer Abreise wurde es dann bewölkt, nachdem wir zuvor eine Woche lang keine einzige Wolke gesehen hatten. Für das schöne Wetter und für alles andere noch einmal obrigado, Portugal!