Morton Nationalpark
Von Sydney aus führt der Hume Highway direkt nach Canberra, der Hauptstadt Australiens. Südlich dieser Route liegt der Morton National Park, und einen kleinen Abstecher dorthin wollten wir uns nicht nehmen lassen. Der Morton National Park ist eigentlich ein großer Wald, den Herr Morton über Jahrzehnte hinweg vor der Rodung gerettet hat. Die Landschaft ist sehr hügelig, und so gibt es grüne Schluchten und Flusstäler zu bestaunen, von denen das Schönste sicherlich das Kangaroo Valley ist. Über den Kangaroo River führt die einspurige, bereits 1898 erbaute Hampden Bridge (Bild).

Einen ersten längeren Stop legten wir an den Fitzroy Falls ein, die 80 m tief in eine Schlucht stürzen. Einmal vor Ort beschlossen wir dann, bis zur Küste nach Kiama durchzufahren, das für sein "Kiama Blowhole" bekannt ist. Durch diese ins Meer hinein ragende Felsspalte soll die Brandung das Wasser gelegentlich bis zu 60 m hoch schleudern. Leider tat es uns während unseres Aufenthalts diesen Gefallen nicht. Aber das machte überhaupt nichts aus, denn Kiama ist auch ohne Blowhole ein wunderschöner Ort mit einer herrlichen Küste, an der man stundenlang verweilen und auf das blaue Meer hinaus schauen möchte (Bild). Hinzu kam, dass wir bei 35 Grad und wolkenlosem Himmel hierfür ideales Wetter hatten. Erst später haben wir aus dem Reiseführer erfahren, dass Kiama sich selbst mit dem schwer zu erringenden Titel "sauberste Stadt Australiens" schmückt. Gewiss nicht ganz zu Unrecht, denn das Städtchen ist wirklich fein herausgeputzt.

Canberra
Anschließend fuhren wir in einer unendlich langen Schleife zurück auf den Hume Highway, der uns am späten Nachmittag direkt nach Canberra führte. Dort blieb noch genug Zeit, um dem Telstra Tower (Bild) einen Besuch abzustatten, der auf dem Gipfel des vor den Toren Canberras gelegenen "Black Mountain" steht. Von  der Aussichtsplattform des 195 m hohen Fernsehturms hat man einen sehr schönen Ausblick über die ganze Stadt und das Umland.

Canberra ist ein Kunstprodukt, das seine Existenz letztlich dem Streit zwischen Sydney und Melbourne über die Frage zu verdanken hat, welche Metropole denn nun die Hauptstadt Australiens werden sollte. Keine von beiden, lautete schließlich die salomonische Entscheidung. Vielmehr sollte eine neue Hauptstadt geschaffen werden. 1911 gewann der Amerikaner Walter B. Griffin den Architektenwettbewerb, der die Stadt wie ein historisches Amphitheater plante. Noch heute ist diese Struktur unverkennbar, obwohl die Stadt mittlerweile 100 Jahre älter und mehr als dreimal so groß ist wie ursprünglich geplant. Über 300.000 Menschen leben in Canberra, das natürlich durch seine Funktion als Sitz von Parlament und Regierung entscheidend geprägt wird. Canberra spricht der Australier übrigens recht eigenwillig "Känbra" aus, mit Betonung auf der ersten Silbe und ganz kurzem "a" am Ende. Das "er" hinter dem "b" wird gar nicht gesprochen. Überhaupt ist es mit den Städtenamen so eine Sache. Sind sie aus der Sprache der Aborigines übernommen, kann man es mit der Aussprache gleich vergessen: Wangaratta, Gongolgon, Girilambone. Ausnahmen wie Wagga Wagga bestätigen die Regel. Klingen sie englisch, muss man sich ständig fragen, was der australische Slang wohl aus ihnen gemacht hat. Sydney wird bspw. mit zwei "i" gesprochen, das erste lang und das zweite kurz: "Siiidni". Very well.

Zentrum von Canberra ist der Capital Hill mit dem alten und dem neuen Parlamentsgebäude, dem viele weitere bedeutende Einrichtungen wie der High Court, die National Gallery und die National Library vorgelagert sind. Zuerst haben wir jedoch das Australian War Memorial in Augenschein genommen, das wir in den frühen Morgenstunden praktisch für uns allein hatten. Ich hatte keine Ahnung, dass Australien mit so vielen Soldaten an so vielen Kriegen teilgenommen hat. Aber man gehört nun einmal zum Commonwealth, und die Queen of England ist nach wie vor (formelles) Staatsoberhaupt. Das fordert Tribut. Die lange Straße zum großen Hauptgebäude des Memorials wird beidseitig von kleineren Denkmälern gesäumt, die an die einzelnen Kriege erinnern. Etwas eigenwillig fand ich, dass in dem War Memorial nicht nur der gefallenen Soldaten gedacht wird, sondern auch stolz die Waffen ausgestellt sind, derer man sich bediente. "Im 2. Weltkrieg sind 40.000 australische Soldaten gefallen. So, und nun darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf diese schöne 85 mm Kanone aus unserer Artillerieabteilung lenken..."

Sowohl das aktuelle Parlamentsgebäude als auch das Old Parliament House kann man gratis von innen und außen besichtigen. Auch hier waren wir praktisch allein. Der Umgang mit den wenigen Besuchern war dabei erstaunlich locker. Im aktuellen Parliament House gab es am Eingang eine kurze Sicherheitskontrolle, die weniger gründlich war als z.B. die am Landgericht Münster, und anschließend konnte man sich frei bewegen. Im Old Parliament House wurde man überhaupt nicht kontrolliert. Im Inneren sind beide Gebäude natürlich in erster Linie repräsentativ-funktional gestaltet, denn sie beheimaten mit der Legislative die wichtigste Staatsgewalt. Trotzdem gibt es auch ein paar interessante Ecken, z.B. die National Portrait Gallery im Old Parliament House mit Gemälden der Staatsoberhäupter und anderer wichtiger Politiker aus zwei Jahrhunderten. Unmittelbar vor dem Old Parliament House haben Aborigines auf einer Wiese ihre Zelte aufgeschlagen und machen auf das Schicksal ihrer Rasse aufmerksam. Obwohl die ganze Abteilung, die sich selbst "Botschaft der Aborigines" nennt, sehr schmuddelig aussieht und die auf ihren Plakaten zu lesenden Parolen für die Regierung wenig schmeichelhaft sind, wird sie offenbar von oben geduldet.

Einmal auf den Kunstgeschmack gekommen, besuchten wir noch die National Gallery am Fuße des Parliament Hill. Diese zeigt neben einem beeindruckenden Raum mit Kunst der Aborigines (Bild oben) zeitgenössische Werke aus Australien, Europa und den USA. Am bekanntesten sind vielleicht die "Blue Poles" von Jackson Pollock (Bild rechts), die einen Aufschrei verursacht haben, weil das Museum 2 Millionen Dollar für sie hingeblättert hat, obwohl viele das Bild nur für Geschmiere halten. Unumstritten ist hingegen der Skulpturengarten, der einige sehr interessante Werke zu bieten hat, wie die Stahlkonstruktion "Ik ook" von Mark di Suvero (Bild unten).

Alle Sehenswürdigkeiten in Canberra sind übrigens mit dem Auto bequem zu erreichen und bieten mehr als großzügig dimensionierte Parkflächen. Warum sämtliche Reiseführer das Gegenteil behaupten, ist uns ein Rätsel. Der Eintritt ist überall frei, nur die Teilnahme an geführten Touren kostet eine geringe Gebühr.

Hanericka Farmstay
Von Canberra aus kann man den Hume Highway direkt bis nach Melbourne durchfahren. Unsere Reise sah jedoch einen Abstecher in das australische Inland vor, wo wir in der Nähe von Albury auf einer Farm übernachten sollten. Halb gewollt und halb aus Zufall hatten wir unsere Reisezeit so gewählt, dass dieser Aufenthalt genau auf die Silvesternacht fiel. Also machten wir uns am frühen Nachmittag auf, um die knapp 300 km von Canberra über Wagga Wagga nach Albury zurückzulegen. Unterwegs konnte ich trotz der mittlerweile knapp 40 Grad Außentemperatur noch einen Stop durchsetzen, um kurz vor dem Örtchen Gundagais ein besonderes Highlight mitzunehmen. Dort erinnert nämlich ein Denkmal an den Hund auf der Verpflegungskiste.  "The dog on a tuckerbox" kommt in einer in Australien sehr populären Buschballade vor, und wenn es sich schon jemand nicht nehmen lässt, mitten in der Wildnis einen Hund auf eine Kiste zu setzen, dann kann man daran einfach nicht achtlos vorbei fahren!

Schnell stellte sich heraus, dass unsere Farm nicht, wie vom Reiseveranstalter ausgeschrieben bei Albury, sondern 70 km von Albury entfernt mitten in der Wildnis lag. Trotzdem war sie erstaunlich einfach zu finden. Ein schlichtes Farmhaus mit vielleicht 5 Gästezimmern, eines davon für uns. Familienanschluss inklusive, denn zum Abendessen traf man sich in der Gemeinschaftsküche zu Rindergulasch mit Reis, das die Schwiegermutter des Farmers gekocht hatte. Natürlich kam man bei dieser und anderen Gelegenheiten mit allen Anwesenden leicht ins Gespräch. So erfuhren wir viele interessante Einzelheiten: Betrieben wird "Hanericka Farm" von Deniz und Amanda Aygun, die Touristen nur als Zubrot aufnehmen. Ihr Hauptgeschäft ist die Farm selbst, auf der Getreideanbau und Viehzucht betrieben werden. Die Farm ist ca. 10.000 acres groß, sagte Deniz. Ein acre sind in etwa 0,4 Hektar, also herrscht der Mann über 4.000 Hektar. Einen Hof von dieser Größe gibt es in ganz Deutschland nicht, möchte ich behaupten. Dazu gehören 600 Rinder, unzählige Schafe sowie einige Dutzend Pferde. Bewirtschaftet wird das Land von der ganzen Familie, also Deniz und Amanda, ihren Eltern, Brüdern, Vettern und sonstigen Verwandten mit deren Familien, die alle in der Nähe wohnen. Zudem lief ein vielleicht 20jähriger Japaner auf der Farm herum, der sich aus irgend einem Grund vor einem halben Jahr als Rucksacktourist hierher verirrt hatte und kurzehand als Aushilfskraft geblieben war. 

Eine kuriose Episode am Rande sei noch schnell erzählt: An diesem 31.12. war es mit Temperaturen jenseits der 40 Grad Celsius unerträglich heiß. Etwas Abkühlung versprach allein das schattige Gästezimmer, und so zogen wir uns für eine Dusche und ein kurzes Nickerchen vor der langen Silvesternacht dorthin zurück. Meine Betthälfte fand ich jedoch unerträglich heiß. Zuerst dachte ich, dass das wohl an der Sonneneinstrahlung liegen müsse, aber eine kurze Nachforschung ergab, dass unter dem Laken eine Heizdecke lag, die auf höchste Stufe eingestellt war. Eine Heizdecke ist natürlich genau das, was man bei 41 Grad braucht. Keine Ahnung warum sie lief; wahrscheinlich war jemand beim Saubermachen versehentlich an den Schalter gekommen. 

Gegen Abend bot uns Deniz an, mit ihm die Farm zu erkunden. Natürlich nicht zu Fuß, sondern auf sogen. "Quads" (Bild), einer Mischung aus Bobbycar und Monstertruck, die mittlerweile auch bei uns recht bekannt sind. Begeistert willigten wir ein, und so heizten wir mit unseren Quads über Stoppelfelder,  Schotterpisten und Grashügel quer durch Rinder, Schafe und Pferde zu einem Hügel, von dem aus man das ganze Farmgelände überblicken konnte. Dort erlebten wir einen wunderschönen Sonnenuntergang. Währenddessen unterhielten Deniz und ich uns über Gott und die Welt. Er berichtete, dass es immer schwieriger wird, Helfer für die Ernte zu finden, weil es die Jüngeren in die Stadt zieht. Darauf fragte ihn, der genau so alt ist wie ich, was ihn denn hier hält, bei der schweren Arbeit auf der Farm und so weit abseits der Zivilisation. Zur Erklärung nahm er eine Handvoll Erde auf, ließ sie wieder fallen und sagte: "This is my land. I can cultivate it, I can burn it. I can do whatever I want. It's mine." Bewundernswert.  

Zurück auf der Farm wurde eine kleine Silvesterfeier am Pool improvisiert. Kurz vor Mitternacht zogen wir uns dann auf eine Parkbank im Garten der Farm zurück, wo wir bei sternenklarer Nacht das neue Jahr  unter dem Southern Cross begrüßten. Ein sehr romantisches und für uns wahrscheinlich einmaliges Erlebnis. Insgesamt gehört der Aufenthalt auf dieser Farm ohnehin zu den stärksten Eindrücken, die wir aus Australien mitgebracht haben. Weltberühmte Bauwerke sehen oder Naturwunder bestaunen zu können macht das Reisen sicherlich lohnenswert. Noch bereichernder sind aber vielleicht Begegnungen mit Menschen wie Amanda und Deniz, die ein so völlig anderes Leben führen als wir. Danke jedenfalls auf diesem Weg für einen unvergesslichen Aufenthalt.

Bilder:
 




Die Fitzroy Falls im Morton N.P.



Blick auf Canberra vom Telstra Tower aus.



Australian War Memorial.



Old Parliament House (vorn) und Parliament House (hinten)
vom Australian War Memorial aus.



Parliament House.



Old Parliament House.



Hanericka Farmhouse.



Das Farmgelände mit der für das australische Hinterland typischen
Färbung aus goldgelben Weiden und grünen Bäumen.