Winchester
Als nächste Station stand Winchester auf dem Programm. Fareham liegt westlich von Portsmouth, also schon in der richtigen Richtung. Allerdings wollte ich mir die M27 nicht noch einmal antun, schon gar nicht quer durch Southampton, weshalb ich über die A32 und die A 272 gefahren bin. Was auf der Karte wie ein Umweg aussieht, war mit Sicherheit dreimal schneller und landschaftlich schöner als die schnöde "Autobahn".

Winchester besticht - wie so viele Orte in dieser Gegend - vor allem durch seine Kathedrale.


Was ich unverschämt fand: Eine Besichtigung sollte 7,50 Pfund Eintritt kosten. Ich habe es schon in vielen Reiseberichten erwähnt, und ich sage es gerne nochmals: Der Eintritt in Kirchen darf m.E. nichts kosten. Wenn man unbedingt verdienen will, kann man Gäste bewirten und/oder Andenken verkaufen, zu beidem bot der riesige Kirchplatz hervorragende Gelegenheit. Auch mag man um eine Spende bitten. Aber ein Gotteshaus ist kein Museum. Gestört hat mich auch, dass in der Kathedrale ein Tisch ausgestellt ist, an dem König Artus seine legendäre "Tafelrunde" abgehalten haben soll. Das ist natürlich blanker Unsinn, denn die Geschichten von König Artus, Ritter Lanzelot und ihren Abenteuern sind eine Sage, nichts weiter. Demnächst stellen sie vielleicht auch noch den heiligen Gral aus, der wird sicher noch mehr Ahnungslose motivieren, 7,50 Pfund Eintritt zu zahlen.

In Winchester fühlte ich mich an das bekannte Lied von U2 erinnert, "Where the Streets have no Name", denn was nützt einem der Stadtplan mit all den wunderschönen Straßennamen, wenn es vor Ort keine Straßenschilder gibt? Das merkte ich natürlich erst, nachdem ich mich hoffnungslos verlaufen hatte. Von einem Anwohner bekam ich schließlich einen Straßennamen genannt, den ich auch auf meinem Plan wiederfand. Auf Nachfrage, wie man denn den Straßennamen hätte herausfinden können, ohne ihn fragen zu müssen, antwortete dieser ältere Herr übrigens staubtrocken: "You could have asked my neighbour".

Nett fand ich den lebhaften Markt in Winchester (ich hatte Glück, es war Samstag). Freunde schöngeistiger Literatur können auch zum Grab von Jane Austen pilgern, der Rosamunde Pilcher ihrer Zeit. Hingegen hätte ich mir den Anmarsch zu der in allen Reiseführern viel gepriesenen Statue von König Alfred dem Großen sparen können - es handelt sich um ein völlig normales Sockeldenkmal einer Person, von der ich nichts außer ihrem Namen wusste. Als ich endlich davor stand habe ich mich gefragt: "Was will ich eigentlich hier?".

Stonehenge
Im Grunde könnte man sich dieselbe Frage auch stellen, wenn man vor dem Steinhaufen auf einer Wiese steht, den die Engländer "Stonehenge" getauft haben. Denn mehr als ein Steinhaufen auf einer Wiese ist Stonehenge im Grunde nicht.

Allerdings ist dieser Steinhaufen viele tausend Jahre alt (es gab verschiedene Bauzeiten, aber das meiste von dem, was wir heute sehen, ist um die 4.500 Jahre alt, also in etwa so alt wie die Pyramiden von Gizeh), und es hat Millionen Arbeitsstunden gekostet, ihn mit damaligen Mitteln zu errichten. Keiner weiß genau wie und warum man Stonehenge erbaut hat, und gerade aus diesem Mysterium erklärt sich wohl die Berühmtheit der Anlage.

Im Grunde gibt es drei Arten von Stonehenge-Besuchern: Die Wissenschaftler, die interessierten Touristen und die mystisch-pseudoreligiös verblendeten Spinner, die in Stonehenge einen UFO-Landeplatz, ein Portal in eine andere Dimension oder was weiß ich sehen. Von allen Gruppen gab es mehr als genug, denn voll war es, das kann ich sagen! Gerade dieser Ort hätte von einer gewissen Ruhe (um nicht zu sagen: Einsamkeit) sehr profitiert, aber das ist bei einer solchen, weltbekannten Attraktion wohl nicht möglich. An einem Samstag im August schon dreimal nicht.

Da lobe ich mir den Ring of Brodgar auf den Orkney Islands, der mit Sicherheit nicht weniger spektakulär, aber touristisch vollkommen unerschlossen ist. Stonehenge dürfte hingegen in Zukunft eher noch mehr Touristen anlocken, denn man baut fleißig an einem neuen Besucherzentrum, vor Ort war der gesamte Zutritt nur über provisorische Häuschen organisiert. Entsprechend lang war die Warteschlange (ca. eine Stunde). Immerhin, ich habe mir die Pläne für den Neubau angesehen und finde sie ausgezeichnet, vor allem, dass er sich schön in die Landschaft einfügen wird, und dass man die unmittelbare Umgebung des Steinkreises renaturieren will.

Gut gemacht ist schon jetzt, dass die Besucher in einem Kreis um die Steine herumgeführt werden. Dadurch kann sie jedermann ungestört betrachten und fotografieren, ohne dass ständig Dritte durchs Bild laufen. Auf Fotos aus den 70er Jahren habe ich gesehen, wie Hippies auf den Steinen herumturnen - diese Zeiten sind natürlich längst vorbei, schon des Erhaltes der Anlage wegen. An einer Stelle darf man allerdings ganz nah an die Steine heran, ich schätze bis auf fünf Meter. Dort erschließt sich erst deren wahre Größe, die aus einiger Entfernung leicht zu unterschätzen ist.

Fazit: Die Leistung der Erbauer von Stonehenge, die mit primitivsten Hilfsmitteln Steinquader von bis zu 50 Tonnen Gewicht aufstellen, bearbeiten und zuvor z.T. über hunderte von Kilometern bewegen mussten (einige stammen aus einem Steinbruch in Wales, 380 km entfernt), ist einfach unfassbar. Neben dem "Wie" fasziniert auch die Frage nach dem "Warum". Aber Vieles ist auch bloßer Hype, vor allem der ganze mystische Quatsch, mit dem man ständig konfrontiert wird (wenn dort morgen ein UFO landet oder sich ein Portal in eine andere Dimension öffnet, nehme ich natürlich alles zurück).

Salisbury
Als idealer Ort zur Übernachtung für einen Stonehenge-Touristen bietet sich Salisbury an, der nächstgelegene größere Ort. Salisbury ist für sich genommen eine Attraktion, vor allem die Kathedrale, die man im 13. Jahrhundert in nur 46 Jahren 'hochgezogen hat (1220-1266). Meines Erachtens ist sie die schönste Kathedrale von allen, Canterbury eingeschlossen. Nebenbei bemerkt hat sie den höchsten Kirchturm in ganz England (123 m). Besonders günstig ist sie im Abendlicht zu fotografieren.

Darüber hinaus verfügt Salisbury über viele alte Gässchen, Pubs und Geschäfte. Eine typisch englische Kleinstadt, in der die Zeit ein wenig stillzustehen scheint. In einem dieser Pubs hatte ich übrigens ein witziges Erlebnis: Ich saß an der Theke, neben mir eine ziemlich aufgedonnerte Dame mittleren Alters, die zwei Guiness bestellte, eines für sich und eines für ihren Begleiter, der wohl auf die Toilette verschwunden war. Als er zurückkam, entwickelte sich folgender Dialog zwischen ihm und dem Barkeeper:

Gast: "I didn't order a Guiness..."
Barkeeper: "Your wife ordered it for you"
Gast: "I don't think so."
Barkeeper: "Yes she did"
Gast: "How's that possible, she's not with me...!"

Ein schönes Beispiel für trockenen englischen Humor.


Wilton House
Von Salisbury aus sollte man einen Abstecher nach Westen unternehmen, denn nur einige Meilen entfernt stößt man auf Wilton House, einen sehr schönen Landsitz des Earls von Pembroke, mit einem fantastischen, riesigen Garten. Dort kann man gemütlich Picknicken oder einfach nur auf einer Parkbank sitzen und in die Gegend schauen.


Wer sich für Malerei interessiert, besonders für van Dyke, dem sei die (nicht gerade günstige) Besichtigung des Interieurs empfohlen, die ich mir gespart habe. Sparen können hätte ich mir auch den Abstecher nach Shaftesbury, den ich am späten Nachmittag noch unternommen habe, denn wenn der Ort über Sehenswürdigkeiten verfügen sollte, so sind mir diese verborgen geblieben. Sonntags sind dort jedenfalls die Bürgersteige hochgeklappt.