Stone of Scone

Von Edinburgh aus gibt es eigentlich nur einen vernünftigen Weg nach Norden, und der führt über die M90 zunächst unweigerlich nach Perth. Perth ist eine Kleinstadt mit ca. 45.000 Einwohnern, die bessere Zeiten gesehen hat. Einzig lohnend ist ein Besuch von Scone Palace (sprich: "Skuun"), dem am Stadtrand gelegenen, traditionellen Sitz des Earls von Mansfield.

Noch heute wird das Schloss vom Earl und seiner Familie bewohnt. Einige sehr prunkvoll ausgestattete Räume sind der Öffentlichkeit gegen Eintritt zugänglich. Weitaus wichtiger als Scone Palace selbst ist jedoch der "Stone of Scone", auf dem bis 1296 die schottischen Könige gekrönt wurden. Es handelt sich um einen schmucklosen Sandsteinquader von geschätzten 70x40 cm Größe, an dem zwei Handgriffe aus Metall angebracht sind. 1296 raubte der englische König Edward I. dieses Symbol schottischer Unabhängigkeit aus der Abtei des Scone Palace und ließ es nach London bringen, wo der Stein in der Westminster Abbey verwahrt wurde, bis der britische Premierminister John Major ihn 1996 - also 700 Jahre später - feierlich an Schottland zurückgab. Das Original ist jetzt - wie auf Seite 1 dieses Berichts erwähnt - in Edinburgh Castle zu bewundern. Vor der Abtei des Scone Palace befindet sich eine recht originalgetreue Kopie. Touristen haben dort das Vergnügen, sich einmal wie ein schottischer König fühlen und auf dem Stein Platz nehmen zu dürfen (Bild links). Die Abtei ist übrigens auch einen Blick wert:

Entlang der A94
Fährt man von Perth aus auf der A94 weiter nach Norden, stößt man entlang des Weges irgendwann auf den Eassie Sculptured Stone, einen mannshohen, mit Symbolen verzierten Stein aus der Zeit der Pikten (ca. 600-800 n.Chr.). Interessanter als den Stein fand ich allerdings die verfallene Kapelle, in der er sich befindet:

Nicht weit hinter dem kleinen Kaff Eassie stößt man auf das nicht viel größere Kaff Glamis, das mit Glamis Castle allerdings eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges beheimatet. Bei Shakespeare ist Macbeth bekanntlich der "Thane von Glamis", im wirklichen Leben erlangte Glamis Castle vor allem durch die 2002 verstorbene Queen Mum Bekanntheit, die hier ihre Kindheit verbrachte. Leider ist das Schloss nur im Rahmen einer Führung zu besichtigen, auf die zu warten ich weder Zeit noch Lust hatte. Stattdessen zog ich ein Mittagessen in der Schlosskantine vor und beließ es im Übrigen bei einem Anblick von außen:

Durch die Grampian Mountains
Von Glamis aus nach Balmoral Castle bei der kleinen Ortschaft Crathie zu kommen, meinem eigentlichen Ziel für diesen Tag, ist nicht ganz einfach, weil die Grampian Mountains nur sporadisch erschlossen sind. Im Grunde gibt es nur zwei Wege. Der Kürzere hätte die A94 zurück und über Coupar Angus und Rattray die A93 hinauf bis nach Crathie geführt, versprach jedoch wenig Interessantes. Die etwas längere Alternative, über die A90 bis an die Küste nach Stonehaven und dann weiter über die Nebenstraße 957 auf die A93 nach Crathie, hat demgegenüber einen großen Vorzug: Man kommt bei Stonehaven an Dunnottar Castle vorbei! Dunnottar Castle ist eine auf einem Felsen unmittelbar vor der Küste gelegene Burgruine, die noch vergleichsweise gut erhalten ist und besichtigt werden kann. Der Anblick der Ruine auf ihrem Felsen vom Festland aus über die Steilküste hinweg ist einfach einmalig schön. Bilder und Worte können leider die dort herrschende Atmosphäre nicht annähernd wiedergeben.

Übrigens wehte an der Küste ein steifer Wind, der einen trotz Temperaturen von immerhin 15 Grad ordentlich durchpustete. Ich habe mir vor Dunnottar Castle Dank unzureichender Kleidung jedenfalls eine Erkältung zugezogen, die mich für den Rest des Urlaubs (und darüber hinaus) beschäftigten sollte.

Die Weiterfahrt bis nach Crathie verlief dann reibungslos. Schenken können hätte ich mir den Stopp an der Bridge of Feugh bei Banchory, wo es laut Reiseführer stromaufwärts schwimmende Lachse zu beobachten geben sollte. Ich habe allerdings keinen einzigen Lachs zu sehen bekommen, und der dortige Aufenthalt von vielleicht 20 Minuten führte im Ergebnis dazu, dass ich erst um 16.45 Uhr in Crathie ankam. Das war schlecht, denn um 16.30 Uhr wurden in Balmoral Castle die letzten Besucher des Tages eingelassen, wie ich vor Ort erfuhr. Also hieß es ein Quartier für die Nacht finden, was gar nicht so einfach war, denn ganz Crathie besteht aus vielleicht 10 Häusern. Entlang der Straße fand ich nach ca. drei Meilen dann aber doch mitten in der Wildnis ein kleines Hotel, das günstig und sauber war und zudem über eine kleine Wirtschaft verfügte, in der man warm essen und zahllose Whiskysorten probieren konnte.

Balmoral Castle
Auf Schloss Balmoral verbringen Queen Elisabeth II. und ihr Anhang bekanntlich die Sommermonate. Zum Glück war die Gute noch nicht da (sie war ja noch mit ihrer Gartenparty im Holyrood Palace beschäftigt), denn bei Anwesenheit der Royals werden Schloss und Garten für Besucher gesperrt. Und das wäre sehr schade gewesen, denn das Schloss lohnt einen Besuch auf jeden Fall. Ursprünglich wurde es im 14. Jahrhundert erbaut. Seine jetzige Form erhielt es aber erst Mitte des 19. Jahrhunderts auf Geheiß von Prinz Albert, dem Ehemann von Queen Victoria, der sich und seiner Familie dort eine Jagdresidenz errichtete. Weil es bis heute genutzt wird, ist nur ein Innenraum zugänglich, in dem einige Kleider von Queen Victoria ausgestellt sind. Dafür kann man in den weitläufigen Wäldern oder am Fluss nach eigenem Gutdünken stundenlang in der Natur herumlaufen (Bild rechts).

In den Highlands
In unmittelbarer Nähe von Balmoral Castle befindet sich übrigens die bekannte Lochnagar Distillery, wo der gleichnamige Whisky hergestellt wird. Diese würdigte ich aber nur eines kurzen Blickes, weil ich mir für diesen Tag schon die Besichtigung einer anderen Whiskybrennerei vorgenommen hatte, nämlich der Glenfiddich Distillery bei Dufftown. Der Weg dorthin führt mitten durch die schottischen Highlands, die an einem sonnigen Tag wirklich malerische Züge haben:

Besonders die schmale Nebenstraße 976 von Crathie nach Gainrshiel Lodge kann ich jedem Naturfreund nur wärmstens empfehlen. Aufnahmen wie die folgende hätte ich dort im Dutzend machen können:

Glenfiddich Distillery
Glenfiddich ist mein absoluter Lieblingswhisky. Vor Jahren durch meinen Freund Ottmar in die Welt des Whiskys eingeführt (übrigens zufällig mit einer Flasche Lochnagar), habe ich mir seither selbst eine kleine Sammlung aufgebaut, die sich auf Schottland konzentriert. Mittlerweile habe ich einige Dutzend Sorten probiert, doch keine schmeckt mir so gut wie der 12jährige von Glenfiddich. Übrigens habe ich bei einigen Gesprächen vor Ort zu meiner Überraschung und Freude festgestellt, dass diese Ansicht durchaus von vielen Schotten geteilt wird, darunter Experten, gegen die meine Whisky-Trinkerfahrung sich wie ein Kieselstein zum Mount Everest verhält.

Jedenfalls war es mein erklärtes Ziel, die Glenfiddich Distillery einmal persönlich zu besuchen, und dieser Wunsch ging nun in Erfüllung. Auf einer einstündigen Tour durch die Räumlichkeiten wurden wir Besucher in die Eigenarten des Whiskys im allgemeinen und des Glenfiddich im besonderen eingeführt. Um ein Haar ruiniert hätte mir diese Erfahrung allerdings eine Reisegruppe aus Dräääsden, deren Geschnatter mir während der Wartezeit vor der Führung gewaltig auf die Nerven ging. Zum Glück wurden wir dann aber in zwei Gruppen unterteilt, "Germans" und "others". Da konnte ich mich leicht zu den "others" abseilen, ohne dass es aufgefallen wäre.

Die gesamte Veranstaltung war sehr interessant und noch dazu (einschließlich der abschließenden Probe) kostenlos! Bei jener Probe machte ich übrigens erstmals mit einem Whisky-Likör Bekanntschaft, einer mir bisher unbekannten Kombination, von der ich natürlich eine Flasche für meine Sammlung erwerben musste...

Inverness und Loch Ness
Der Rest des Tages ging dann für die Fahrt von Dufftown zu meinem Zwischenziel Inverness 'drauf. Ganz kurz vor der Ankunft dort machte ich aber noch einen Abstecher zum Culloden Battlefield, wo am 16. April 1746 der Jakobineraufstand unter Bonnie Price Charlie vom Herzog von Cumberland niedergemetzelt wurde, wie ich an anderer Stelle schon einmal kurz erklärt habe. Man kann m.E. Schottland nicht mit Verstand bereisen, ohne sich mit seiner Geschichte zu beschäftigen, und in dieser nimmt die Schlacht von Culloden einen ganz zentralen Platz ein. Heute sieht man dort freilich nicht mehr viel, nur eine Wiese, auf der die Positionen der Heere und ihrer Anführer mit blauen bzw. roten Fahnen markiert sind (wenn man genau hinsieht, erkennt man mittig im linken Bilddrittel des Fotos unten auch eine rote Fahne). Dafür gibt es ein hervorragendes, modernes Besucherzentrum, in dem über alles Wissenswerte umfassend informiert wird.

In Inverness, das sich selbst "Hauptstadt der Highlands" nennt, gibt es wenig zu sehen. Ich habe mich deshalb dort nur für die Nacht aufgehalten und mich anschließend zum Loch Ness aufgemacht, das in den Reiseführern m.E. zu Unrecht schlecht wegkommt. Sicher, dieser ganze Hype um das angebliche Ungeheuer vom Loch Ness ist nichts weiter als eine Touristenfalle, aber es wird ja niemand gezwungen, sich davon ein- und ausnehmen zu lassen. Ich fand Loch Ness jedenfalls schon wegen seiner ungewöhnlichen, regenwurmartigen Ausmaße (ca. 40km lang, aber nur 1,5 km breit und dabei mit 250-300m extrem tief) interessant. Noch dazu hatte ich das Glück, es an einem wunderschönen, sonnigen Morgen erleben zu dürfen, an dem zu allem Überfluss eine himmlische Ruhe herrschte. Ich habe bestimmt eine Stunde lang nur am Ufer gesessen und dem Wasser beim Plätschern zugehört, während die Sonne aufging.

Einen besonders schönen Blick auf den See hat man von Urquhart Castle aus, einer etwa auf halber Strecke um den See gelegenen Burgruine. Schenken können hätte ich mir hingegen den im Reiseführer als "Geheimtipp" angepriesenen Ausflug zum noch weiter südlich gelegenen Dorf Invermoriston, denn die imposanten Moriston Falls, die man nach einer kleinen Waldwanderung erreichen sollte und die ich mir als in die Tiefe stürzenden Wasserfall vorgestellt hatte, entpuppten sich als einfacher Bach mit einem Gefälle von vielleicht fünf Grad.